Neulich in Turkmenistan:Angst in der Stadt der Liebe

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In Aschgabat, der Hauptstadt Turkmenistans, werfen sich Polizisten in den Staub, wenn sie zur falschen Zeit am falschen Ort sind. Beobachtungen in einer Stadt, der eigentlich die "Liebe" im Namen führt.

Martin Bernstein

In der Wartehalle des Flughafens Aschgabat, der wie so vieles in diesem eigenartigen Land nach dem verstorbenen Diktator Turkmenbaschi benannt ist, sitzen übernächtigte Reisende. Einer nach dem anderen holt eine Wasserflasche aus dem Handgepäck. Flüssigkeiten im Sicherheitsbereich? Das ist umso erstaunlicher, als man vor dem Verlassen des Polizei- und Militärstaats sage und schreibe fünf Röntgenkontrollen durchlaufen muss. Wissen die uniformierten Damen und Herren überhaupt, wonach sie suchen?

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Zwei Tage in Aschgabat, der Hauptstadt Turkmenistans, genügen, um aus dem Kopfschütteln nicht mehr herauszukommen. Viel ist über diesen abgeschotteten Staat und seine exzentrischen Führer schon geschrieben worden: vor allem über den 2006 verstorbenen Saparmurat Nijasow, der sich Turkmenbaschi (Haupt aller Turkmenen) nannte und die Monate nach sich und seiner Familie umbenennen ließ.

Und über seinen Nachfolger mit dem schier unaussprechlichen Namen Gurbanguly Berdimuhamedow, dessen Qualifikation zum Präsidentenamt in der Tatsache bestand, dass er der Leibzahnarzt des Turkmenbaschi war. So zumindest die offizielle Version. Weil sich aber die zwei sehr ähnlich sehen, wird gemunkelt, dass er ein unehelicher Sohn sei.

Immerhin: In Aschgabat setzt der neue Präsident Zeichen eines eigenen Kurses. Die ersten überdimensionalen Turkmenbaschi-Denkmäler sind schon abmontiert. Es gibt immer noch genug: Turkmenbaschi im Frack. Turkmenbaschi mit Elvis-Haartolle. Turkmenbaschi als wegweisender Staatslenker. Ein Eisstadion in der Wüstenstadt ist nach ihm benannt.

Und der Monat Januar. Seine Untertanen mussten mit dem Rauchen aufhören, als er mit dem Rauchen aufhörte. Rund 40 prachtvolle Ministerien gibt es in Aschgabat. Eines für Pferde. Eines für Aufbau. Eines für Wiederaufbau.

Als Reisender, der das Land im Gegensatz zu den Turkmenen wieder verlassen darf, könnte man das ziemlich lustig finden. Gäbe es nicht erschreckende Szenen wie diese: Die Reisegruppe verlässt das Restaurant, untergebracht in einem zwischen Stalinismus und Postmoderne changierenden Hochhaus Aschgabats.

Plötzlich stürmen zwei Polizisten auf uns zu. Doch sie wollen nichts von den westlichen Touristen: Panisch reißen sich die Ordnungshüter ihre Uniformmützen vom Kopf und werfen sich in den Dreck hinter zwei künstlich bewässerten Bäumchen.

In diesem Moment braust auf der sonst menschenleeren Straße eine Wagenkolonne vorbei. Erst als die Limousinen außer Sichtweite sind, rappeln sich die derangierten Polizisten auf, klopfen sich den Staub aus der Uniform und verschwinden in der Nacht, die in Aschgabat von Abertausenden bunten Scheinwerfern erleuchtet ist. "Das war der Präsident", erklärt ein Turkmene, "die zwei waren wohl zur falschen Zeit am falschen Ort und hatten Angst, bestraft zu werden." Aschgabat bedeutet übrigens "Stadt der Liebe".

© SZ vom 1.9.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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