Kuba:Havanna von innen

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Der Fotograf Sven Creutzmann kennt Kuba seit vielen Jahren, das merkt man auch seinen Bildern an: Frauen auf einer Prozession zu Ehren von San Lázaro. (Foto: Sven Creutzmann)

Der deutsche Fotograf Sven Creutzmann arbeitet seit 28 Jahren in Kuba. Er ist fasziniert von einem Land, das gerade aus der ewigen Warteschleife ausbricht.

Von David Pfeifer, Havanna

Manchen Geschichten jagt man nach, andere kommen, ganz selten, zu einem. Eigentlich ging es bei der Reportage-Reise nach Kuba darum, die Box-Nationalstaffel zu begleiten, die erfolgreicher an den Olympischen Spielen teilgenommen hat, als jedes andere Land.

Man beantragt also Monate vorher ein Journalisten-Visum. Dann sucht man sich einen Termin, bei dem Wettkämpfe in Havanna zu sehen sind und braucht schließlich noch einen Fotografen. In Havanna kommt man da schnell auf Sven Creutzmann, weil der seit 28 Jahren in Kuba akkreditiert ist, spanisch spricht, die Pressebetreuer vor Ort kennt, die Stadt und die Gepflogenheiten sowieso.

Lange vor der Reise schickt Creutzmann eine Mail: "Reservier' Dir rechtzeitig ein Hotel, zur Zeit ist alles überlaufen." Wochen vor der Reise überschlagen sich dann die Meldungen: die Rolling Stones spielen in Havanna. Präsident Obama kommt. Karl Lagerfeld zeigt die Chanel-Cruise-Kollektion auf dem Paseo del Prado. Sie drehen den x-ten Teil von "The Fast & The Furious" im Hinterland. Die Kardashians sind auch da. Kreisch!

Man fliegt also etwas unvermittelt inmitten dieser Hysterie in einer klapprigen Maschine über Spanien nach Kuba, die Knie fast an die Ohren gequetscht, wegen der engen Sitzreihen - und bei einem Blick ins Cockpit fallen einem die Kippschalter auf, die man zuletzt als kleines Kind in der Luftfahrt-Abteilung des "Deutschen Museum" gesehen hat.

Fahrt durch die Schlagzeilen

Dann fährt man gemeinsam mit Creutzmann Tag für Tag durch Havanna, durch die Schlagzeilen, vorbei an der Bühne der Rolling Stones und den Vorbereitungen für die Chanel-Show. In der Stadt herrscht derzeit eine seltsame Erregung, vor allem natürlich bei den Touristen. Nur Creutzmann rollt mit den Augen, weil man in der Altstadt kaum voran kommt, weil es ewig dauert, bis man von einem Viertel ins nächste gelangt.

Es liegt in der Natur einer solchen Reportage, dass Leerlauf entsteht. Doch es gibt schlechtere Orte um die Zeit tot zu schlagen als ein Privatrestaurant in Havanna. Man plaudert, erzählt sich etwas vom Leben, tauscht Ansichten aus. Und erfährt so einiges bei einem leichten Bier in der Bullenhitze: Sven Creutzmann arbeitet nicht nur im Sozialismus - er ist auch darin geboren. In Ostberlin, ehemalige DDR, die Eltern waren politische Gefangene.

Was aber fasziniert einen, dessen Eltern in der DDR für ihre Überzeugungen ins Gefängnis kamen, an einem der letzten verbliebenen kommunistischen Länder? Zum Beispiel, dass es eines der letzten dieser Länder ist. Dass hier etwas gut ausgehen könnte, was woanders schief gegangen ist. Dann geht es schon wieder los, zum nächsten Termin, Interviews führen, Fotos machen. Die eigentliche Reportage ist irgendwann im sogenannten Kasten, die Gespräche daneben aber haben noch zu ganz anderen Einsichten geführt, über Kuba, Havanna, die Vergangenheit und eine mögliche Zukunft. So kommt eine Geschichte manchmal, ganz selten, zu ihrem Schreiber.

Kurz darauf war dann Karl Lagerfeld da, mit sehr vielen Models und Mode-Journalisten aus Deutschland und der ganzen Welt. Die Besucher waren begeistert. Man selbst saß da schon wieder in München im Büroturm, wo nie Leerlauf herrscht, aber auch wenig so spannend ist wie derzeit die Stimmung in Havanna. Und schrieb noch eine ganz andere Geschichte auf. Die von dem Fotografen.

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SZ PlusReportage aus Kuba
:Tauwetter

Der Papst, Obama, Karl Lagerfeld - alle scheinen noch einmal nach Kuba zu wollen, bevor - ja was eigentlich? Die Castros sterben? Coca-Cola alles überrennt? Besuch bei einem, der es wissen muss - dem deutschen Fotografen Sven Creutzmann, der seit 28 Jahren das Geschehen in Havanna dokumentiert.

Von David Pfeifer

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