Indonesien:Sensibler Reis und andere Götter

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Trotz Handy, Internet und Touristen aus aller Welt: Auf den Inseln Bali, Java und Lombok bestimmen Glaube und Dämonen den Lauf der Dinge.

Für Indonesiens Tourismus war 2006 bisher kein einfaches Jahr. Im Mai erschütterte ein heftiges Erdbeben die Insel Java. Im Raum Yogyakarta entstanden schwere Schäden, rund 6000 Menschen starben. Nach einem weiteren Erdbeben unter dem Meer tötete Mitte Juli ein Tsunami mehr als 350 Menschen an Javas Südküste. Klar, dass solche Meldungen nicht dazu animieren, dem Inselstaat am Äquator einen Besuch abzustatten. Wer sich dennoch aufmacht, entdeckt aber eine Welt voller Geheimnisse, in denen sich Menschen und Götter begegnen.

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:Lombok - mehr als Balis kleine Schwester

Auf der kleinen indonesischen Insel findet man leere Traumstrände und einsame Gegenden.

Aus der Ferne betrachtet, leuchten die Sarongs der Frauen wie tropische Blumen aus dem Reisfeld. Die Bäuerinnen umfassen die Halme und schneiden die Rispen mit einer raschen Bewegung ab. Ihr kleines "Ani-Ani"-Messer ist kaum zu sehen. "Die Frauen verstecken das Messer beim Schneiden in der hohlen Hand. So verhindern sie, dass der Reis das Messer sieht und sich möglicherweise erschrickt", erklärt Touristenführer Wayan. Reis gilt in Indonesien schließlich nicht einfach als Nutzpflanze, sondern als Geschenk der Götter.

Auf Java und Bali glauben die Bauern, dass Reis eine Seele hat, die nicht verletzt werden darf. Denn das könnte die Reisgöttin Dewi Sri erzürnen und womöglich die halbe Ernte gefährden. Bei so viel spiritueller Verklärtheit verwundert es kaum, dass auf jedem Reisfeld und an jedem Weg ein Opferschrein oder ein kleiner Tempel steht.

Allein 20 000 Tempel in den Städten und Dörfern will man auf der kleinen Insel Bali gezählt haben. Dazu kommen ungezählte Haus- und Familientempel, Schreine und Statuen. Aus dieser unglaublichen Fülle an Begegnungsstätten für Menschen und Götter entstand das Bild von der "Insel der Götter". In Bali ruht möglicherweise auf jeder Blüte ein Gott, aber auch Dämonen lauern überall, die schlimmsten im Meer.

Hinduismus und Naturkräfte

Trotz Handy, Internetcafé, Fernsehen und Touristen aus aller Welt: Bis heute bestimmt die tief verwurzelte Religion mit ihren Ritualen und Festen den Alltag der Balinesen. Mehrmals am Tag müssen die Götter gütig gestimmt, Dämonen und böse Geister dagegen ausgetrickst werden. Auf Bali beginnt kein Tag ohne Opfergaben. Sogar in der lärmenden Touristen-Hochburg Kuta eilen in der Frühe Frauen aus den Häusern und legen an Straßenkreuzungen, vor Geschäften und Kneipen winzige, aus Bananenblättern gefertigte Opferkörbchen mit Blumen und gefärbtem Reis ab, um das Gute zu stärken und Böses fern zu halten.

Anders als im übrigen, islamisch geprägten Indonesien bekennen sich die Balinesen zum Hinduismus. Jedoch ist ihr Hinduismus stark verwoben mit älteren Glaubensvorstellungen, so dass Naturkräfte bis heute ihre Bedeutung haben. Ebenso wenig herrscht auf der großen Nachbarinsel Java ein reiner islamischer Glaube: Auch hier vermählten sich in ländlichen Regionen uralte Vorstellungen von überirdischen Kräften und einer beseelten Umwelt mit der "neuen" Religion. Der Islam erscheint hier sanft und tolerant - und besonders Zentraljava mit seinen Bergen und Reisfeldern zieht viele Asien-Fans in den Bann.

Nicht in der Neun-Millionen-Metropole und Hauptstadt Jakarta schlägt das kulturelle Herz Indonesiens, sondern in Zentraljava rings um Yogyakarta, wo sich bis heute das einzige Sultanat Indonesiens befindet, das die Staatsgründung 1949 überdauern konnte. Klar, dass sich der Sultan anpassen musste. Heute ist Sri Sultan Hamengku Buwono X. kein Alleinherrscher mehr, sondern er hat einen Regierungsjob als Gouverneur. Mit seiner Familie wohnt er in einem 250 Jahre alten Palast, der bis auf den Privatbereich besichtigt werden kann. Zum Leidwesen vieler Einwohner hat der 60-jährige Sultan fünf Töchter, aber keinen männlichen Nachkommen - eine Tatsache, die in Yogyakarta viel bedauert und jedem Besucher unverzüglich erläutert wird.

Der Vulkan Merapi zählt zu den aktivsten Vulkanen Indonesiens. (Foto: Foto: AFP)

Besuch im Morgengrauen

Mag Bali auch Tausende Tempel vorweisen - die wichtigsten hinduistischen und buddhistischen Anlagen befinden sich auf Java. Wenn es irgendwie möglich ist, sollte man Borobudur, das größte buddhistische Denkmal der Welt, bei Morgengrauen besuchen. Es überstand bereits mehrere Naturkatastrophen, darunter auch das jüngste schwere Erdbeben im Raum Yogyakarta Ende Mai.

Um 5.30 Uhr ist es noch dunkel, aber schon hell genug, um die Stufen des Tempels hinaufzusteigen, der wie eine riesige Pyramide aufgebaut ist. Die Tropennacht hat die dampfende Schwüle des Tages in Nebel verwandelt. Wie ein mit Pastellfarbe gemalter Schleier ruht der milchige Morgendunst auf den Senken, füllt die Täler und streicht an den Berghängen entlang.

Im Vordergrund breiten sich die Silhouetten der Tempelmauern und die 72 großen und unzähligen kleinen Stupas aus, die Symbole für Buddhas Erleuchtung. Zauber und Symbolik dieses Ortes am frühen Morgen machen aus dem Besuch ein fast spirituelles Erlebnis. Und als sei das alles nicht genug, ragt im Osten die Silhouette des 2911 Meter hohen Vulkans Merapi in den Tropenhimmel.

Der Merapi steht ständig unter Dampf und Druck, der Berg zählt zu den aktivsten Vulkanen Indonesiens. Er ist schön und gefährlich zugleich. Das ganze Land liegt am pazifischen Feuerring, einer Bruchzone in der Erdkruste, die immer wieder Vulkanausbrüche oder Erdbeben auslöst. Die rund 130 Millionen Menschen auf Java leben seit eh und je mit dem Risiko - erst im Mai sorgte verstärkte Aktivität des Merapi wieder lange Zeit für Angst vor einem schweren Ausbruch.

Um 5.45 Uhr ist es hell genug, um zu erkennen, dass dem Krater eine beständige Rauchfahne steigt. Zehn Minuten später schiebt sich an der Flanke des Vulkans ein glutroter Ball hervor - es ist die Sonne, die an der Ostseite des Vulkans rasch höher steigt.

Verborgen unter Asche, Stein und Gestrüpp

Ein spektakulärerer Sonnenaufgang als in Borobudur ist kaum denkbar. Die Anlage, 20 Kilometer nördlich von Yogyakarta gelegen, ist wohl die eindrucksvollste historische Stätte Indonesiens. Sie entstand im achten Jahrhundert. Die Mauern aus Vulkangestein sind mit Hunderten historischen Reliefs verziert, die teilweise Geschichten aus dem Leben Buddhas erzählen. Der britische Singapur-Gründer Thomas Stamford Raffles entdeckte die Anlage erst im Jahr 1814, versteckt unter vulkanischer Asche und Bims und überwuchert vom Dschungel.

Trotz ihrer heute unterschiedlichen Religion zeigen die Menschen auf Bali und Java viele Gemeinsamkeiten: Gamelan-Musik, überlieferte Tänze und Schattenspiel überlagern hier den Hinduismus, dort den Islam. Beide Inseln sind gesegnet mit Naturschönheiten und Kultur.

Terroranschläge im Urlaubsparadies

Seit einigen Jahren liegt ein Schatten über der Insel und ihrer Unbeschwertheit. Am 12. Oktober 2002 explodierten in Kuta zwei Autobomben und rissen 202 Menschen in den Tod. Vor allem australische Touristen, aber auch sechs Deutsche kamen durch die Bomben des islamistischen Terrornetzwerkes Jemaah Islamiya ums Leben. Die Behörden haben die mutmaßlichen Drahtzieher und Helfer zwar rasch hinter Schloss und Riegel gebracht. Die Unsicherheit aber bleibt.

Sicherheitsmaßnahmen wurden verstärkt, Kontrollen an den Fährhäfen ausgebaut und die Überwachung der Hotelzonen verbessert. Doch es half nichts: Drei Jahre nach dem ersten Anschlag richteten im Oktober 2005 islamistische Selbstmordattentäter ein zweites Blutbad auf Bali an. In zwei Restaurants starben 19 Menschen, darunter 4 Touristen.

Seither geht die Angst unter den Hoteliers um, dass der Tourismus längerfristig leiden könnte. "Gast ist nicht gleich Gast", sagt ein Hotelmanager. Er weist darauf hin, dass sich die Herkunft der Touristen geändert hat. Heute kämen mehr Urlauber aus Malaysia, Singapur und Südkorea. "Die Besucher aus den asiatischen Nachbarländern bevorzugen eher die preiswerten Hotels und lassen weniger Geld auf der Insel als Australier und Europäer", sagt er.

Lohnende Ausflüge zu den Nachbarinseln

Wenn der Tourismus auf Bali einbricht, leiden die Hotels auf Java und Lombok ebenfalls. Denn von Bali aus brechen viele Touristen auf, um einige Tage auf den Nachbarinseln zu verbringen. Europäer, die Bali links liegen lassen und beispielsweise über Singapur direkt nach Yogyakarta oder Lombok fliegen, sind eher selten - obwohl gerade Lombok in den vergangenen Jahren immer beliebter wurde und sein Image pflegt, eine Art Bali vor dem Zeitalter des Massentourismus zu sein.

Tatsächlich bietet Lombok die schöneren Strände, höheren Vulkane und die größere Ruhe. Hier lässt sich Badeurlaub mit Bergsteigen verbinden und der Tauchgang mit dem Tempelbesuch. Bezeichnenderweise wurde eine Episode der deutschen TV-Reihe "Traumhotel", die auf Bali spielt, nicht auf Bali, sondern in einem Luxushotel auf Lombok gedreht - eine Tatsache, die den Hotelmanager noch heute amüsiert.

Wissenswertes zu Indonesien:

ANREISE UND FORMALITÄTEN: Es gibt derzeit keine Nonstopflüge von Deutschland nach Indonesien. Lufthansa und Singapore Airlines fliegen Jakarta zum Beispiel mit Stopp in Singapur an. Von dort aus gibt es dann Anschlussflüge zum Beispiel nach Surakarta und Surabaya auf Java, Denpasar auf Bali oder Mataram auf Lombok.

Für die Einreise ist ein Visum erforderlich, das für 25 US-Dollar (rund 19,50 Euro) am Flughafen erhältlich und 30 Tage lang gültig ist. Wer länger bleiben will, muss das Visum bereits in Deutschland beantragen. Der Reisepass muss bei der Einreise noch mindestens sechs Monate lang gültig sein.

KLIMA UND REISEZEIT: Tropenklima mit Temperaturen um 30 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit. Während der Regenzeit von November bis April kann die Luftfeuchtigkeit 95 Prozent erreichen. Trockenzeit und beste Reisezeit von Mai bis Oktober.

WÄHRUNG: Für einen Euro bekommt man rund 11 680 indonesische Rupiah (Stand: September 2006). In den Städten gibt es viele Banken und Wechselstuben, in Touristenzentren auch Geldautomaten, an denen mit EC- beziehungsweise Maestro-Karten Bargeld abgehoben werden kann.

GESUNDHEIT: Impfschutz gegen Tetanus, Polio und Hepatitis A und B ist ratsam. Bali ist kein ausgesprochenes Malaria-Gebiet, die Städte und Touristenorte sind malariafrei. Im ländlichen Java und auf Lombok herrscht ein höheres Malariarisiko. Wer in abgelegenen Regionen unterwegs ist, sollte mindestens "Stand-by"-Medikamente dabei haben.

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