Hotel Fatal:Vom Trinkgeldvermeiden

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Hotel-Profis wissen, wie viel Trinkgeld angebracht ist. Die Übergabe kann heikel sein - sie ganz auszulassen, wird oft noch peinlicher.

Max Scharnigg

Es wird ja immer viel Gewese um das richtige Geben von Trinkgeld im Hotel gemacht. Wem vom Personal was in welcher Menge wann einzuhändigen ist - diese Fragen führen bei Gästen, die dazu neigen, zu einiger Verunsicherung.

Die Trinkgeldübergabe an Hotelangestellte kann eine heikle Angelegenheit sein. (Foto: Foto: istock)

Die beginnt stets damit, dass ihnen wenige Minuten vor dem Hotel im Flughafenshuttle einfällt, dass man dem Chauffeur vielleicht unbedingt etwas zustecken müsste (stimmt!).

Der edle Plan scheitert dann nicht selten daran, dass zu diesem Zeitpunkt noch kein Schilling der ortsüblichen Währung die Brieftasche ziert.

Mit Dollar liegt man richtig

Gealterte Hotelprofis führen aus diesem Grund immer ein paar Dollarnoten mit sich, denn der Dollar wird weltweit als Trinkgeld akzeptiert. Steigt man in Nachbarländern der Euro-Zone ab, dürfte auch der Euro diesen Zweck erfüllen, ist sogar vorzuziehen, denn einem Schweizer Fahrer als Deutscher zehn Dollar zuzustecken, wirkt schon wieder leicht snobistisch.

Wer auf dem Rücksitz weder Dollar noch sonstiges Kleingeld zur Verfügung hat oder aber vom Geiz zerfressen ist, startet das großangelegte Programm zur Trinkgeldvermeidung.

Trinkgeldknauser unter Stress

Das ist oft zu beobachten, unschön anzusehen und besteht zunächst darin, vor dem Chauffeur aus dem noch rollenden Wagen zu wetzen, das Gepäck eigenhändig aus dem Kofferraum zu wuchten und sich mit einem verschämten Nicken in Richtung des Verdutzten eilig zum Eingang zu bewegen.

Dort wartet aber schon die nächste Hürde, in Gestalt eines gekonnt dackeläugigen Menschen, der die Tür aufreißt und bis zum Bandscheibenschaden dienert. Spätestens bei seiner Passage fühlt sich der Trinkgeldvermeider wahnhaft von Raubrittern umringt. Dabei muss man fürs Türöffnen wirklich nichts extra geben.

In der Halle dann, eilen Knaben mit kleinen Pappdeckeln auf dem Kopf heran und begehren durchaus, das Gepäck aufs Zimmer zu tragen. Der Trinkgeldvermeider klammert sich an seine Taschen und Koffer und versichert vierzigmal pro Minute, dass dies nullo problemo sei und er wirklich gerne selber trägt und so weiter. Das lässt ihn im Übrigen nicht nur ein bisschen schäbig, sondern auch ziemlich verdächtig wirken.

Den Angestellten, der ihn schließlich aufs Zimmer begleitet, wird der Trinkgeldvermeider an der Zimmertür ausbremsen - mit einem Tackle über den sich jeder Footballer freuen würde - und sodann mit einem günstigen "Alles klar, vielen Dank!" die Tür zuschmettern.

Lesen Sie, warum die Trinkgeldübergabe im wahren Leben nur selten wie im Spielfilm verläuft ...

Heikle Übergabe

(Foto: Foto: privat)

Auch wer gerne Trinkgeld gibt, sieht sich gelegentlich vor Problemen. Wie bei einer Entführung ist auch beim Trinkgeld die Geldübergabe der heikelste Moment. In Spielfilmen ist zu beobachten, dass Gentlemen dem Zimmerservice mit vollendeter Eleganz Scheine genau im richtigen Moment auf eine Art zustecken, die keinen der Beteiligten peinlich berührt. Eine Kunst!

Wer ihr nacheifern möchte, aber nicht David Copperfield ist, findet sich bei seltsamen Fingerübungen vor dem Zimmerspiegel bei dem Versuch wieder, den Fünf-Euro-Schein irgendwie in die Handinnenfläche zu klemmen oder zu kleben.

Wer sich darauf versteift, wie ein Mafia-Pate Geld per Handschlag zu transportieren, sollte aber einkalkulieren, dass schüchterne Liftboys auf einen markigen Händedruck nicht vorbereitet sind - und schon gar nicht auf die dabei verteilten Devisen. Dann flattert erschrocken der Schein zu Boden, alle bücken sich und schlagen mit den Köpfen aneinander, dass es kracht, herrje!

Auch von der gutgemeinten Idee, den Geldschein wie nebenbei in Kleider- oder Körperfalten des Begünstigten zu stecken, sollte man Abstand nehmen. Stattdessen empfiehlt sich, wie bei fast allem im Leben, einfaches Vorgehen ohne großes Gehüstel.

Und auf keinen Fall sollten die Zimmermädchen vernachlässigt werden, die gerade dann besonders gut waren, wenn man sie eben nahezu vergisst. Bei ihnen ist auch die Trinkgeldübergabe einfach: Man lässt es einfach sauber auf dem Nachttisch liegen.

Max Scharnigg, 28, arbeitet als Journalist in München und ist Mitglied der jetzt.de -Redaktion der Süddeutschen Zeitung . Seine Wochenenden verbringt er am liebsten in interessanten Hotelzimmern mit Bad oder Dusche.

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