Empire State Building:Turm der Liebe und des Todes

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Kein anderes Hochhaus der Welt ist so sehr Mythos und auch keines ist so sehr Symbol seiner Stadt: Am 1. Mai wird der Büroturm im Herzen New Yorks 75 Jahre alt.

Eine schöne Gelegenheit die von Glücks- bis Horrorvisionen spannende Mythologie des Gebäudes in den US-Medien neu aufzubereiten.

Im 86. Stock wartete Cary Grant in "Die große Liebe meines Lebens" vergebens auf Deborah Kerr, von der Spitze stürzte der Riesenaffe King Kong in den Tod. Und auch im realen Leben sind die Extreme im Empire State Building nah beieinander: Das Gebäude ist für Liebespaare ebenso attraktiv wie für Selbstmörder.

Mythos war das Empire State Building von Anfang an. Als zur Einweihung am 1. Mai 1931 Präsident Herbert Hoover per Knopfdruck aus Washington die Lichter in dem 381 Meter und 102 Stockwerke hohen Gebäude angehen ließ, erstrahlte ein wahres Wunderwerk der Technik an der Fifth Avenue. Der von dem Börsenspekulanten und General-Motors-Gründer John Jacob Raskob finanzierte und dem Architekten William Lamb entworfene Mega-Turm war in der Rekordzeit von nur dreizehneinhalb Monaten hochgezogen worden.

Dazu beigetragen hatte eine phänomenale Logistik. Sie ermöglichte beispielweise eine so rasche Anlieferung der Stahlträger aus dem 650 Kilometer entfernten Pittsburgh, dass sie bei Ankunft an der Baustelle teilweise noch warm waren.

Das Wunder war umso größer, als das damals höchste Gebäude der Welt mitten in der vom Börsencrash von 1929 ausgelösten Großen Depression entstand. Das Empire State Building wurde so zu einem sehr amerikanischen Symbol unbeugsamen Willens in harten Zeiten.

Dieser Status litt auch nicht darunter, dass viele Pläne, die sich um den das Projekt gerankt hatten, nicht aufgingen. So fanden viele der Büroräume bis in die 40er Jahre keine Abnehmer, weshalb Spötter vom "Empty (Leeres) State Building" sprachen. Und auch aus dem Airport für Luftschiffe wurde nichts. Anlegen sollten sie an der im Art-Deco-Stil gestalteten Spitze des Hochhauses, doch das erwies sich als zu kompliziert.

Der dramatischste Moment in der Geschichte des Empire State Building kam am 28. Juli 1945, als ein B-25-Bomber bei schlechter Sicht in das Gebäude raste. 14 Menschen kamen ums Leben. Das Gebäude erlitt aber keinen schweren Schaden. Die Aufzugführerin Betty Lou Oliver wurde durch das Unglück berühmt. Sie fiel als Folge der Kollision 75 Stockwerke mit dem Lift in die Tiefe - und überlebte wie durch ein Wunder den laut Guinness-Buch bis heute tiefsten Absturz dieser Art.

Vier Millionen Besucher jährlich

Bis 1972 blieb das Empire State Building das höchste Gebäude der Welt, dann wurde es vom World Trade Center abgelöst. Als die Zwillingstürme bei den Anschlägen des 11. September 2001 in Schutt und Asche versanken, wurde das Empire State Building wieder zur höchsten Konstruktion in New York.

Die Faszination des Gebäudes, das einschließlich seines Sendemastes auf 443,20 Meter kommt, ist bis heute ungebrochen. Vier Millionen Besucher jährlich genießen den Atem beraubenden Blick in die Straßenschluchten von Manhattan und über das Häusermeer zum Hudson River, East River und zur New York Bay.

Losglück für das Lebensglück

Der Traum von Liebespärchen aus aller Welt ist es, vor dieser Kulisse am Valentinstag - dem einzigen möglichen Termin im Jahr - den Bund fürs Leben zu schließen, wofür sie aber auf das Losglück hoffen müssen. Und auch Lebensmüde fühlen sich nach wie vor von dem Bauwerk angezogen: Der bislang letzte stürzte sich im Februar von der 66. Etage; die traurige Bilanz liegt bei mehr als 35 Selbstmorden.

Das Empire State Building ist zudem über die Jahre ein Liebling der Filmindustrie geblieben - für romantische Szenen wie in "Schlaflos in Seattle" oder Schreckensvisionen wie in "Independence Day", wo der Riesenturm von Außerirdischen vernichtet wird. "Der Magnet des Todes und der Kitzel des Verlangens sind Partner im Leben des Empire State Building seit dem Moment, in dem es erschaffen wurde", schrieb die New York Times zum 75. Geburstag.

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