Die Deutschen und ihr Urlaub:"Sie kommen in Massen"

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Tourismusexperte Karl Born über den Preis erholsamer Ferien und den Ruf deutscher Touristen im Ausland.

Corinna Nohn

In einigen Bundesländern haben die Sommerferien begonnen, in anderen stehen sie vor der Tür. Worauf die Deutschen in ihrem wichtigsten Urlaub achten sollten und wovon ihre Erholung abhängt, weiß Karl Born. Der Wirtschaftswissenschaftler saß jahrelang im Vorstand des Reisekonzerns Tui und lehrt heute Tourismusmanagement an der Hochschule Harz in Wernigerode.

Urlaub unter Deutschen
:Oje, Landsleute!

Wir wollten wissen, welche unangenehmen Erlebnisse Deutsche mit Deutschen im Urlaub machen - was unseren Usern richtig peinlich war.

SZ: Eine aktuelle Gfk-Studie hat ergeben, dass jeder fünfte Deutsche Altbekanntes liebt und jedes Jahr am gleichen Ort urlaubt. Könnte man nicht genausogut zu Hause entspannen und Geld sparen?

Born: Auf Urlaub wollen die Leute nicht verzichten. Es gilt die Voraussetzung, das Gegenteil vom Alltag zu erleben. Wenn jemand in einer Hochhaussiedlung in Wanne-Eickel wohnt und immer an denselben Strand fährt, dann ist das eben das Gegenteil von seinem Alltag.

SZ: Wie sieht denn der ideale Urlaub aus?

Born: Das kommt auf die Erwartung an. Ich muss mir vorher genau überlegen, was ich erleben will. Aber ich kann mich im eigenen Kulturkreis genauso gut erholen wie in einem fernen Land, in dem ich ganz andere Menschen treffe.

SZ: Und wie lange soll Urlaub dauern?

Born: Zwei Wochen wären natürlich schön. Aus finanziellen Gründen beschränken sich, zumindest im Zweiturlaub, allerdings viele Reisende auf einen kürzeren Zeitraum.

SZ: Gerade Kurzreisen, zum Beispiel Städtetrips, sind doch besonders teuer.

Born: Sie sind aber eine Alternative, wenn der nächste große Urlaub erst wieder in zwölf Monaten ansteht. Und viele sparen im Haupturlaub, um sich eine zweite kurze Reise erlauben zu können.

SZ: Dieses Jahr gibt der deutsche Urlauber im Schnitt knapp 2000 Euro aus, zehn Prozent weniger als 2009. Insgesamt ist der Konsum in dieser Zeit aber weniger stark eingebrochen. Sind die Deutschen im Urlaub knauseriger geworden?

Born: Mit solch absoluten Beträgen bin ich vorsichtig. Die Deutschen sparen in finanziell klammen Zeiten nicht am Urlaub. Aber sie sparen im Urlaub, geben also vor Ort weniger Geld aus.

SZ: Ist ein entspannender Urlaub keine Frage des Geldes?

Born: Ein Urlaub wird schön, indem man sich darauf freut. Mich regen immer diese Verbrauchertipps auf, die schon im Vorhinein aufklären, welche Rechte man hat und wann man klagen kann. Wer mit diesen Gedanken wegfährt, wird nie einen schönen Urlaub haben. Die Vorfreude ist das wesentliche Motiv. Damit kann man sogar eventuellen Stress vor dem Urlaub besser wegstecken.

SZ: Gerade läuft die Fußball-WM in Südafrika. Erlebt das Land, wie vorhergesagt, einen Tourismusboom?

Born: Olympiaden oder Weltmeisterschaften verursachen nie im gleichen Jahr einen Boom. Dann fahren die Fans - aber Fans und Touristen sind zweierlei Spezies. Der Boom kommt im Folgejahr. Das hat man in Deutschland gesehen: Das Jahr 2007 lief viel besser als 2006.

SZ: Wie wird denn ein Land zum Trendurlaubsort?

Born: Da spielen viele Faktoren eine Rolle, besonders die Berichterstattung in den Medien. Nehmen Sie umgekehrt mal Griechenland: Für Urlauber hat sich da nichts geändert. Der Strand ist derselbe, es ist genau so heiß wie vergangenes Jahr, das Essen ist das gleiche. Aber das Bild von den faulen Griechen, die auf unsere Kosten leben, hat dazu beigetragen, dass viele Deutsche ihre Reise abgesagt haben.

SZ: Wie lange dauert es, bis Touristen eine Krise in einem Land vergessen?

Born: Das ist ganz unterschiedlich. Es kommt auch darauf an, ob Deutsche betroffen sind. Ein Attentat, bei dem 100 Menschen ums Leben kommen, aber kein Deutscher, interessiert nicht. In Sri Lanka gibt es seit Jahren immer wieder Attentate, aber den typischen Sri-Lanka-Urlauber kümmert das nicht.

SZ: Die Deutschen halten sich für sehr umweltbewusst, fliegen aber gern und reisen in ferne Länder. Wie kann sich denn ein ökologisch korrekter Mensch bei diesem CO2-Verbrauch entspannen?

Born: Er verdrängt es. Die Leute reagieren auf unmittelbare Umwelteinflüsse wie trübes Wasser oder Müllberge, dann werden sie stinkig. Aber Fragen nach dem Flugverkehr oder Energieverbrauch interessieren sie im Urlaub nicht, vor allem, wenn es darum geht, dass Umweltfreundlichkeit mehr Geld kostet.

SZ: Als Gäste sind die Deutschen in anderen Ländern beliebt. Woran liegt das?

Born: Sie geben viel Geld aus, kommen in Massen, sind aber relativ pflegeleicht. Vor 15 Jahre hatten wir noch den Ruf der rüpelhaften Teutonen, die keine Rücksicht auf die Einheimischen nehmen. Heute erhalten die deutschen Urlauber von den Reiseveranstaltern vor Ort deutlich bessere Noten als etwa russische oder englische Touristen.

© SZ vom 06.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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