Zyprischer Außenminister im Interview:"Ein Signal für die friedliche Koexistenz von Christen und Muslimen"

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"Wenn wir den Zypern-Konflikt lösen, lösen sich alle anderen Probleme", sagt der zyprische Außenminister Ioannis Kasoulides (links). (Foto: dpa)

Der zyprische Außenminister Ioannis Kasoulides spricht über die Verhandlungen zur Wiedervereinigung der geteilten Insel. Und erklärt, warum es keine Alternative gibt.

Interview von Mike Szymanski

SZ: Am Checkpoint Ledra-Straße hängt ein Schild: "Das ist die letzte geteilte Hauptstadt in Europa". Ist das eine Mahnung oder schon Werbung?

Ioannis Kasoulides: Es ist ein Wunsch. Es ist der Wunsch, die Teilung zu überwinden. Wenn wir sagen, Nikosia ist die letzte geteilte Stadt, dann besagt das, auch diese Stadt wird hoffentlich irgendwann aufhören, geteilt zu sein.

Eine geteilte Stadt in Europa im Jahr 2016 - kann das die Wirklichkeit sein?

Unglücklicherweise ist das die Realität der vergangenen 42 Jahre.

Der Konflikt dauert schon so lange. Gibt es den nicht zu lösenden Konflikt womöglich doch?

Jeder Konflikt gilt als unlösbar, bis er gelöst ist. Die Zeit ist günstig. Wir haben zwei moderate politische Führer an der Spitze beider Gemeinschaften in Zypern. Wenn die Türkei ihre Erklärungen, dass sie die Bemühungen zur Wiedervereinigung unterstützt, in die Tat umsetzt, dann bin ich optimistisch.

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Optimismus gab es auch schon 2004. Damals stand der Plan von UN-Generalsekretär Kofi Annan bei einem Referendum zur Abstimmung. Aber der griechisch-zyprische Süden machte einen Rückzieher. Warum sollte es dieses Mal klappen?

Im Jahr 2004 hatte sich die internationale Gemeinschaft zwar auch sehr die Wiedervereinigung gewünscht. Sie war für sie damals längst nicht so wichtig wie heute. Ein vereintes Zypern wäre ein gutes Beispiel für die friedliche Koexistenz von Christen und Muslimen auf dieser Insel. Das wäre ein großartiges Signal in einer Zeit, in der wir von so vielen Konflikten umgeben sind. Die Europäische Union braucht einen Erfolg. Und wir haben auf Zypern auch aus Fehlern der Vergangenheit gelernt.

Was machen Sie dieses Mal anders?

Mit dem Annan-Plan wurde uns von außen eine Lösung für diesen Konflikt herangetragen. Dieses Mal bereiten die politischen Führer auf Zypern und ihre Unterhändler ein Abkommen vor. Es wird ein zyprischer Vorschlag zur Wiedervereinigung sein, der den Bürger zur Abstimmung vorgelegt werden wird. Die Verhandlungsführer müssen eine Einigung finden, die sie gemeinsam vertreten, bevor es zum Referendum kommt. Dieses Mal werden die Spitzen beider Volksgruppen empfehlen, mit Ja zu stimmen - auch das war anders 2004, als die griechisch-zyprische Seite mit Nein gestimmt hatte.

Wird es noch in diesem Jahr zum Referendum kommen?

Das ist eine schwierige Frage. Dies ist möglich, wenn wir sehr schnell bei den Gesprächen vorankommen. Aber vielleicht dauert es auch länger. Wir sollten uns nicht mit einer Deadline unter Zeitdruck setzen. Wenn die Gespräche vorankommen - und niemand kann das Gegenteil behaupten - sollten wir ihnen die Zeit lassen, die sie brauchen.

Im Moment ziehen sich die Gespräche wieder hin. Der türkisch geprägte Norden war gerade zur Regierungsumbildung gezwungen. Im Süden stehen Parlamentswahlen an.

Anfangs haben wir schnell Fortschritte gemacht. Nun ist das Tempo etwas langsamer geworden. Die schwierigen Fragen stehen am Ende. Das ist der Grund.

An welchem Punkt sind die Gespräche angekommen?

Wir haben sechs Kernthemen: Vier davon - die Regierungsform, das Funktionieren innerhalb der EU, die Wirtschaft im föderalen System, und Eigentumsfragen als Folge der Teilung - werden derzeit diskutiert. In vielen Bereichen nähern wir uns an. Auf beiden Seiten ist der Willen erkennbar, Antworten zu finden. Zwei große Themenkomplexe liegen noch vor uns: territoriale Fragen und die künftige Sicherheitsarchitektur für die Insel. Es geht darum, das System der Garantiemächte zu ersetzen.

Wie muss die neue Sicherheitsarchitektur für Zypern aussehen?

Wir brauchen in Zypern ein System, in dem sich griechische Zyprer und türkische Zyprer sicher fühlen. Türkische Truppen auf der Insel kann es dann nicht mehr geben. Es kann sein, dass wir noch einige Jahre die UN-Truppen im Land für den Übergang behalten werden.

In der Flüchtlingskrise rücken die EU und die Türkei enger zusammen. Wirkliche Fortschritte können die Beitrittsgespräche der Türkei aber erst dann bringen, wenn Zypern seine Blockadehaltung wegen der Zypernfrage aufgibt und die Verhandlungen über weitere sogenannte Beitrittskapitel zulässt. Wird das passieren?

Im Zuge des EU-Türkei-Abkommens wird ein weiteres Verhandlungskapitel geöffnet. Das gibt den Partnern erst einmal genug Material, um zu verhandeln. Und das gibt uns Zeit, die Flüchtlingskrise in den Griff zu bekommen. Wenn wir den Zypern-Konflikt lösen, und der ist nach 42 Jahren sehr kompliziert, lösen sich sofort alle Probleme: Die Türkei wird kein Problem mehr haben, ein föderales Zypern als Staat anzuerkennen. Für uns gibt es dann keinen Grund mehr, mit unserem Veto Verhandlungskapitel zu blockieren. Die Beitrittsgespräche der Türkei können sofort einen großen Sprung machen. Die Lösung liegt in der Gleichzeitigkeit der Ereignisse. Das erkläre ich meinen Kollegen in der EU auch immer.

Viel Leidenschaft für die Wiedervereinigung ist auf Zypern im Moment nicht zu spüren. Haben sich die Bürger womöglich mit dem Status quo abgefunden?

Ich glaube, dass die Menschen erkennen, welche Vorteile die Wiedervereinigung bringt. Es kommt darauf an, dass am Ende ein fairer Deal steht. Die Zyprer müssen abwägen, was besser ist: So weiter machen wie bisher oder die Gelegenheit nutzen für etwas Besseres. Sie dürfen keine Angst vor dem Unbekannten haben und sich auch keine Angst einjagen lassen. Es gibt auf beiden Seiten Panikmacher.

Was hätte ein Scheitern der Verhandlungen für Folgen?

Ich arbeite auf eine Lösung hin. Es gibt keinen Plan B.

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