Zeugin im NSU-Prozess:Die stille Freundin der Beate Zschäpe

Lesezeit: 2 min

Susann E. könnte im NSU-Prozess viel erzählen: Warum sie an dem Tag, als die Neonazi-Gruppe aufflog, Anrufe vom Handy ihrer Freundin Beate Zschäpe erhielt. Weshalb in ihrem Wohnzimmer Porträts der toten Neonazis Mundlos und Böhnhardt standen. Doch die Zeugin will nicht reden.

Aus dem Gericht berichtet Tanjev Schultz

Für Beate Zschäpe ist es das Wiedersehen mit einer Freundin. Am Dienstag ist Susann E. als Zeugin im NSU-Prozess geladen. Sie betritt den Gerichtssaal mit langen, früher dunklen, inzwischen rötlich gefärbten Haaren. Auf älteren Fotos sehen sich Zschäpe und Susann E. ein wenig ähnlich.

Es gibt ein Bild, da posieren die Frauen in Shirts der Band AC/DC. Susann E. soll Zschäpe in Zwickau regelmäßig besucht haben, gemeinsam waren sie wenige Wochen vor dem Auffliegen des NSU noch auf einem Volksfest. Und als am 4. November 2011 die Wohnung des NSU in Brand gesetzt wurde - mutmaßlich von Zschäpe - gab es mehrere Anrufe von Zschäpes Handy bei Familie E.

Die Ermittler gehen davon aus, dass Zschäpe zum Bahnhof gefahren wurde und Susann E. ihre Freundin mit frischer Kleidung ausgestattet hat. Zschäpe war in den Jahren im Untergrund immer wieder in die Identität der Freundin geschlüpft, hatte ihren Namen getragen, besaß eine Bahncard auf den Namen "Susann E.". Deren Ehemann, André E., sitzt als Angeklagter vor Gericht, weil er den NSU unterstützt und unter anderem beim Anmieten von Fahrzeugen geholfen haben soll.

Portraits der Toten im Wohnzimmer

Susann E. ist keine Angeklagte, aber Beschuldigte in einem weiteren Verfahren. Deshalb hat sie das Recht, vor Gericht zu schweigen. Entsprechend kurz ist ihr Auftritt. Mehr als ihren Namen, ihr Alter (32 Jahre) und ihre Adresse in Zwickau verrät sie nicht. Richter Götzl fragt noch, was sie beruflich mache? "Ich bin zu Hause", sagt sie. Beate Zschäpe schaut nicht allzu offensiv hin, als Susann E. spricht, aber man sieht ein paar verstohlene Blicke. André E., der Ehemann, wirkt cool wie immer.

Götzl belehrt die Zeugin, sie brauche nichts zur Sache zu sagen. Darauf erwidert Susann E. mit heller Stimme: "Ich werde keine Angaben dazu machen."

Als die Polizei im vorigen Jahr die Wohnung der Familie E. durchsuchte, fand sie im Wohnzimmer ein Bild, gegenüber vom Sofa und gut sichtbar über dem Fernseher. Das Bild zeigte die Gesichter der Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Unter dem Bild stand ein Windlicht aus Holz: offenbar eine Art Schrein für die Toten.

Unter den gezeichneten Porträts erkannten die Beamten Runen. Nach Ansicht der Ermittler stehen sie für die Worte "Tod" und "Unvergessen". Die Polizisten fertigten einen Vermerk, in dem sie nüchtern formulieren, das Bild deute darauf hin, dass Mundlos und Böhnhardt einen nicht unerheblichen Stellenwert für die Familie E. hätten.

Näheres darüber könnte sicherlich Susann E. sagen. Aber sie hält es wie ihre Freundin: Sie schweigt.

© Süddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: