Welthandel:Totengräber unter sich

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Donald Trump will den freien Handel killen. Er hat sich auf die Welthandelsorganisation WTO eingeschossen. Doch er ist nicht allein. Bereits Schwellenländer, Globalisierungsgegner und auch Barack Obama hatten das Ihre getan, um die Organisation zu schwächen - zum Schaden des Wohlstands.

Von Marc Beise

Dank der versöhnlichen Rede des amerikanischen Präsidenten Donald Trump im Kongress hatten manche Beobachter bereits den Eindruck, die wilde Zeit sei vorbei, nun werde im Weißen Haus maßvoll regiert. Der Blick auf einen ersten Bericht der Trump-Regierung an den Kongress zur neuen amerikanischen Handelspolitik belehrt die Welt eines Schlechteren.

Der Präsident und seine Handelsberater stellen die Existenzberechtigung der Welthandelsorganisation offen in Frage. US-Recht steche WTO-Recht, heißt es unverblümt. Es gelte nur, was Amerika nutze. Das offenbart ein erschreckendes Unverständnis für diese internationale Institution, der mittlerweile und aus gutem Grund fast alle Staaten der Welt angehören.

Ziel der WTO war es nie, für Amerika oder irgendein anderes Land den maximalen Nutzen herauszuholen. Es ging immer darum, die unterschiedlichen Interessen der Staaten in der Weltwirtschaft auszugleichen und vor allem für ein faires Verfahren zu sorgen. Die Gründung der WTO war deswegen ein Meilenstein in den internationalen Beziehungen, weil endlich ein Rechtsrahmen für die Wirtschaftswelt geschaffen wurde. Es ist ein unvollkommener Rahmen, weil es keine Weltpolizei und keinen Weltgerichtsvollzieher gibt, aber doch immerhin ein Rahmen, der allgemeingültig ist.

Das Prinzip ist einfach: Während der alle paar Jahre stattfindenden Welthandelsrunden wird erbittert gefeilscht. Was dann aber beschlossen ist, soll auch wirklich für alle gelten. Im Streitfall kann jeder Staat die WTO anrufen, und in einem komplizierten Streitschlichtungsverfahren suchen unabhängige Experten einen fairen Ausgleich. Rund 500 Mal hat das bisher funktioniert, und in neun von zehn Fällen korrigierte das unterlegene Land seine Praxis, harte Vergeltung ist die Ausnahme.

Donald Trump will den freien Handel killen. Er ist nicht allein

Trump traut diesem System nicht, er zeigt, wie wenig ihm Regeln wert sind. Er zeigt aber auch, dass er von den wohlstandsfördernden Mechanismus des internationalen Handels nichts verstanden hat. Seine Absicht, einseitig Zölle einzuführen und amerikanische Produkte zu bevorzugen, würde weltweit Wohlstand kosten - auch in den USA. Die Abkehr vom freien Handel dürfte am Ende nur Verlierer kennen. Statt durch Strafzölle US-Unternehmen zu schützen, solle Trump die eigene Wirtschaft durch Bildungsinvestitionen langfristig stärken, fordert zu Recht der WTO-Chef Roberto Azevedo. Zur Wahrheit gehört aber auch, darauf hinzuweisen, dass die Akzeptanz der WTO nicht erst seit Trump erodiert. Dass die jüngste Welthandelsrunde gescheitert und die WTO seitdem nur noch ein Schatten ihrer selbst ist, lag maßgeblich an den Schwellenländern, also den sich besonders gut entwickelnden Entwicklungsländern, die sich damals nicht zu einem neuen Abkommen durchringen konnten.

Den nächsten Schlag führte ausgerechnet der große Versöhner Barack Obama, als er ein pazifisches Handelsabkommen aushandelte und ein transatlantisches Abkommen (TTIP) vorschlug. Dass Kanzlerin Angela Merkel darauf - unter dem Beifall der deutschen Unternehmen - freudig einging, war kein Ruhmesblatt der Wirtschaftspolitik. Eine weltweit aktive Exportnation wie Deutschland profitiert von multilateralen Abkommen wie dem WTO-System immer mehr als von bilateralen Verträgen.

Ein Übriges taten die Globalisierungskritiker, die die WTO seit Jahrzehnten als Agentin der Mächtigen verteufeln. Am Ende war diese auf Interessenausgleich und Fairness ausgerichtete Institution so sturmreif geschossen, dass Donald Trump sie jetzt mit dem kleinen Finger umwerfen kann. Trump ist der aktuelle, aber nicht der einzige Bösewicht im Spiel.

© SZ vom 03.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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