Wahlen in Mexiko:Ein linker "Messias" für Mexiko

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Andres Manuel López Obrador will den Drogenkrieg beenden und die Korruption ausrotten. Ob er das schafft, das darf man bezweifeln. (Foto: AFP)
  • Mexiko versinkt in einem blutigen Drogenkrieg, die Mordrate steigt auf Rekordniveau.
  • Andrés Manuel López Obrador, haushoher Favorit bei der Präsidentenwahl am Sonntag, will das Land von diesem Problem erlösen und die Korruption gleich mit ausmerzen.
  • Man darf aber skeptisch sein, ob ihm dies gelingt - aus mehreren Gründen.

Von Benedikt Peters

Was den Deutschen ihr Bismarck, das ist den Mexikanern ihr Díaz - zumindest, was die Regierungszeit angeht. Porfirio Díaz lenkte Mexiko gut dreißig Jahre lang, bis hinein ins 20. Jahrhundert. Seinen wohl berühmtesten Satz kann fast jeder Mexikaner zitieren: "Armes Mexiko!", soll der Präsident gerufen haben, "So weit weg von Gott - und so nah an den Vereinigten Staaten!"

Die Nachbarschaft zu den USA wird auch mehr als hundert Jahre später noch als schmerzlich empfunden. Die Verachtung von Donald Trump für Latinos, das Gerede vom Mauerbau an der Grenze, die Drohungen, das Freihandelsabkommen Nafta aufzukündigen, gefällt kaum jemandem in Mexiko. Trotzdem winken viele ab, wenn man sie in diesen Tagen auf den US-Präsidenten anspricht. "Trump? Wir haben andere Probleme", heißt es. Die Hauptsorge der etwa 90 Millionen stimmberechtigten Mexikaner, die an diesem Sonntag aufgerufen sind einen neuen Präsidenten und ein Parlament zu wählen: Ihr Land versinkt seit Jahren in einem katastrophalen Drogenkrieg.

Marihuana, Metamphetamine, Kokain aus Kolumbien - all das wird über Mexiko nach Norden geschleust, damit sich die kaufkräftigen US-Bürger das Nachtleben versüßen oder der Wirklichkeit entfliehen können. Wer sich den Drogenkartellen in den Weg stellt, der wird erschossen, verbrannt, enthauptet. 25 339 Menschen wurden nach Regierungsangaben im vergangenen Jahr ermordet, so viele wie nie zuvor. Und 2018 steuert das Land auf einen neuen Mordrekord zu.

Dies ist einer der Hauptgründe, warum bei der Wahl am Sonntag Andrés Manuel López Obrador die besten Chancen hat, in die Präsidialresidenz "Los Pinos" einzuziehen. Ein 64-jähriger Politiker, der gern weiße Hemden und Blumenketten trägt. Wobei genau genommen gar nicht in die Präsidialresidenz ziehen will, so hat er es zumindest versprochen. Er werde in seinem Haus wohnen bleiben oder sich etwas anderes, billiges suchen. "Los Pinos" werde in ein Museum umgewandelt.

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Das Bild eines weinenden Kleinkindes war zum Symbol der unerbittlichen US-Grenzpolitik geworden und hatte es sogar auf das Cover des "Time"-Magazins geschafft. Doch die Hintergründe der Aufnahme wurden offenbar falsch dargestellt.

Es sind einerseits solche Ankündigungen wider das Establishment, mit denen es López Obrador es geschafft hat, in den Umfragen in Führung zu gehen. Andererseits profitiert "Amlo", wie er seiner Initialen wegen genannt wird, vom eklatanten Versagen des noch amtierenden Präsidenten. Enrique Peña Nieto war 2012 mit zwei großen Versprechen angetreten: Er wollte für ein sattes Wirtschaftswachstum sorgen und den Drogenkrieg eindämmen. Die Mordrate sollte halbiert werden.

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Tatsächlich aber werden heute in Mexiko so viele Menschen umgebracht wie nie seit Beginn der Statistik. Die Wirtschaft wächst statt der angestrebten sechs nur um 2,5 Prozent jährlich. Und lange nicht alle Mexikaner profitieren davon. Mexiko hat den höchsten Wert im Ungleichheits-Index unter allen OECD-Ländern, noch vor Chile, das man sonst gern als Negativbeispiel heranzieht für die schlimmen Auswüchse des Neoliberalismus. Dem industrialisierten Norden Mexikos geht es vergleichsweise gut, im Süden bestellen die Menschen häufig noch von Hand die Felder.

López Obrador stammt selbst aus dem Süden, aus der Provinz Tabasco, dem Namensgeber der bekannten Chili-Sorte. Von dort aus machte er Karriere, erst als Lokalpolitiker, dann als Bürgermeister von Mexiko Stadt. López Obrador verspricht, die Infrastruktur im Süden auszubauen und diesen wirtschaftlich zu entwickeln. Zudem hält er teure Wahlgeschenke bereit, er will etwa das Rentensystem reformieren und Stipendien für Studenten aus armen Familien schaffen.

Auch im Norden findet er viele Anhänger, was mit einem Thema zu tun haben dürfte, das neben dem Drogenkrieg den Wahlkampf dominiert: López Obrador hat versprochen, endlich gegen die Korruption vorzugehen. "Ab dem 1. Juli hat die Plünderungspolitik ein Ende", so sagt er es.

Korruption ist kein neues Problem in Mexiko, unter Peña Nieto aber ist sie schlimmer geworden. Oder zumindest sichtbarer. Aus den Kassen zweier Ministerien verschwanden Berichten zufolge umgerechnet 56 Millionen Euro. Geplante Straßen wurden nicht gebaut, weil plötzlich das Geld fehlte. Politiker der Regierungspartei PRI plünderten staatliche Fonds. Und der Chef der nationalen Wasserbehörde wurde dabei fotografiert, wie er mit seiner Familie in den Urlaub flog - und dabei einen Helikopter der Regierung benutzte. Peña Nieto selbst geriet in eine Korruptionsaffäre, als bekannt wurde, dass die Villa seiner Ehefrau zuvor einem Geschäftsmann gehört hatte. Dieser hatte dann wiederum von der Regierung zahlreiche lukrative Aufträge erhalten. Im Korruptionsindex von Transparency International ist Mexiko in den letzten Jahren um 30 Plätze gefallen und liegt jetzt auf Rang 135, gemeinsam mit Russland.

Um glaubhaft zu machen, dass er für einen Neuanfang steht, hat López Obrador seine eigene Bewegung gegründet. Das hat funktioniert, in Mexiko nennen ihn manche inzwischen den "tropischen Messias". Mit einem Vorsprung von etwa 25 Prozentpunkten führt er in den Umfragen, der Sieg scheint ihm sicher. Umso spannender ist, welche Wahlversprechen er auch einlösen wird. Manche teure Reform wird sich noch irgendwie finanzieren lassen. Der Krieg gegen die Drogenkartelle aber, den noch Peña Nietos Vorgänger Felipe Calderón begonnenhatte, scheint kaum zu gewinnen. López Obrador glaubt, dass eine Amnestie für kleine und mittlere Drogendealer helfen könnte, Experten sind skeptischer.

Ähnlich schwierig dürfte der Kampf gegen die Korruption werden. Ob López Obrador ihn ernsthaft angehen wird, daran sind zumindest vorsichtige Zweifel erlaubt. Auf der Kandidatenliste seiner Bewegung für den Senat steht zum Beispiel Napoleón Gómez Urrutia. Als Anführer der Bergbaugewerkschaft soll er Millionenbeträge veruntreut haben. Auch anderen, unter Korruptionsverdacht stehenden Politikern soll López Obrador nahe stehen. Schaden aber dürfte ihm das zunächst kaum, da neben Peña Nietos PRI auch die einzige etablierte Oppositionspartei, die PAN, weit größere Skandale am Hals hat. Alle Umfragen deuten darauf hin, dass die Mexikaner genug davon haben, dass sie etwas Neues wollen. Und dafür ist "Amlo" im Moment schlicht die einzige Möglichkeit.

Mit seiner Wahl könnte in Mexiko ein interessantes Experiment beginnen: Während viele lateinamerikanische Nachbarn nach rechts abdriften, würde Mexiko ein gutes Stück nach links rücken. Das könnte spannend werden - wenn López Obrador denn hält, was er verspricht.

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