Wahl in der ehemaligen Diktatur:Hunderte Ägypter wollen Präsident werden

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"Was soll ich machen, das ist nun mal Demokratie": Der Chef der ägyptischen Wahlkommission sieht sich mit mehr als 1000 Bewerbern für das Präsidentenamt konfrontiert. Friseure, Lehrer, Klempner - alle wollen Staatschef werden. Auch die Hausfrau Inas Raschad.

Karin El Minawi

Inas Raschad ist 55 Jahre alt, Witwe, Hausfrau und - ginge es nach ihr - Ägyptens nächste Präsidentin. Zwar hat Raschad weder ein Programm, Geld für den Wahlkampf noch die geforderte schriftliche Unterstützung von 30 Parlamentariern oder 30.000 wahlberechtigten Ägyptern. Doch das ficht sie ebenso wenig an wie die Tatsache, dass nicht einmal ihre eigenen Kinder auf ihrer Seite sind, weil die lieber einen Mann an der Spitze Ägyptens sehen würden, möglichst einen Islamisten.

Und so hat Raschad als eine der Ersten im Präsidentenpalast im vornehmen Kairoer Stadtteil Heliopolis die Unterlagen für die Kandidatenregistrierung abgeholt. Das ist insofern auch wenig verwunderlich, da sich die 55-Jährige doch der Unterstützung einer viel höheren Instanz sicher ist: Sie weiß Gott auf ihrer Seite und hofft auf seine Wunder.

In Scharen strömen die Ägypter nach Heliopolis, um am Rennen um das höchste Staatsamt teilzunehmen: Friseure, Lehrer, Klempner, Pizzalieferanten und Bestatter. Die wenigsten haben Chancen, aber alle wollen dabei sein. "Wir erwarteten 150 Bewerber. Jetzt sind es mehr als 1000", sagt Hatem Bogato, Chef der Wahlkommission.

"Das ist nun mal Demokratie"

Schon am ersten Tag gingen ihnen die Umschläge mit den Gesetzen, Beschlüssen und Bedingungen aus. Jetzt bekommen die Kandidaten nur einen Zettel in die Hand gedrückt. Witze kursieren über die Kandidatenkür als Volksbewegung: Das Staatsfernsehen werde demnächst die Namen derer bekanntgeben, die nicht kandidieren, lautet einer. Mit Blick auf den bunten Haufen, der durch die Tore strömt, sagt Bogato: "Was soll ich machen, ich kann keinen ablehnen, das ist nun mal Demokratie." Er sieht den Ansturm als natürliche Entwicklung eines seit dreißig Jahren unterdrückten Volkes.

Inas Raschad beispielsweise wohnt in einer primitiven, überbesiedelten Gegend. Ihre Nachbarn, sagt sie, setzen auf ihre Kandidatur. Sie habe viele Ideen, die sie aber erst preisgeben will, wenn sie offiziell kandidiert. Immerhin verrät sie schon jetzt, dass sie sich für die Frauenrechte einsetzen will. Frauen müssten nicht mehr arbeiten, bekämen aber Gehälter. "Hausfrauen schuften doch auch", sagt sie. Überhaupt: Den Sturz von Präsident Hosni Mubarak habe Ägypten ihr zu verdanken, denn nur wenige Tage zuvor habe sie zu Gott gebetet und ihn um eine Revolution angefleht.

Bis zum 8. April können die Bewerber ihre Unterlagen einreichen, kurz darauf gibt die Wahlkommission die Namen der zugelassenen Kandidaten bekannt. Die Abstimmung findet Ende Mai statt, eine Stichwahl - falls nötig - Mitte Juni. Dann endet Ägyptens Übergangsphase nach dem Sturz Mubaraks.

Bis dahin hat Gamal Alsajed Mohamed viel zu tun. Der 55-Jährige steigt im traditionellen Männergewand, Turban und Sandalen, aus dem Taxi vor dem Registrierungsbüro, in der Hand ein orangefarbenes Mäppchen mit seinem Wahlprogramm. Es besteht aus zehn Punkten und passt auf eine Seite. Als Erstes würde er alle Parteien auflösen. "Es sollte nur eine Partei geben, damit sich alle wieder mögen", sagt er.

Außerdem will er sich den Problemen der Frauen widmen. Er wäre sogar bereit, eine Frau zur Vizepräsidentin zu machen. Die 500 Kilometer aus Sohag im Süden des Landes hat er jedoch umsonst zurückgelegt: Er hat die nötigen Unterschriften noch nicht zusammen. Aber so schnell gibt man als Kandidat nicht auf: "Einige tausend habe ich, die restlichen bekomme ich auch noch."

© SZ vom 28.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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