Vorstoß des Piratenpartei-Gründers:"Besitz von Kinderpornos muss legalisiert werden"

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Rick Falkvinge, Gründer der schwedischen Piratenpartei, sorgt mit einem gewagten Vorstoß für Aufsehen: Das Verbot, Kinderpornos zu besitzen, erschwert seiner Meinung nach die Suche nach Kinderschändern. Außerdem stünde die Redefreiheit auf dem Spiel, warnt der Pirat der ersten Stunde. Seine Parteikollegen in Deutschland sind entsetzt.

Markus C. Schulte von Drach und Thorsten Denkler

Nach den Reaktionen zu urteilen, hätten die deutschen Piraten den prominenten Gründer ihrer schwedischen Mutterpartei wohl spätestens jetzt aus der Partei ausgeschlossen. Am liebsten würden sie ihn wohl gleich aus der internationalen Piratenfamilie ausschließen. Bundespiratenvorstand Klaus Peukert jedenfalls findet, Falkvinge solle doch eine eigene Partei gründen, und zwar eine solche, "in der man diese Art von Scheiße mag".

Rick Falkvinge, Gründer der Piratenpartei in Schweden, will, dass Kinderschänder gefasst werden. Kinderpornos zu besitzen, sollte seiner Meinung nach jedoch nicht strafbar sein. (Foto: Reuters)

Der Berliner Pirat Stephan Urbach bekommt das "kalte Grauen und Wut, unglaubliche Wut", wenn er liest, was der Schwede schreibt. In einer Presseerklärung stellt der Bundesvorsitzende Bernd Schlömer fest, Falkvinge begebe sich "ins Abseits". Und: "Die Freiheit des Internets kann nicht damit erkämpft werden, dass jede eindeutig kriminelle Handlung für gut befunden wird."

Diesen Shitstorm hat sich Falkvinge selbständig erarbeitet. In einem Blogbeitrag versucht er, einen argumentativen Weg zu zeichnen, mit dem der Besitz von kinderpornographischen Inhalten legalisiert werden könnte.

Kein neuer Beitrag von Falvinge in dieser Richtung. Schon 2010 hat er mit einer ähnlichen Forderung dafür gesorgt, dass die Partei bei der schwedischen Reichstagswahl auf 0,7 Prozent der Stimmen abstürzte. Ein Jahr zuvor war sie noch mit sieben Prozent der Stimmen ins Europaparlament eingezogen. Falkvinge war 2011 als Vorsitzender der Partei zurückgetreten, aber Mitglied im Vorstand geblieben.

Falkvinge stellt in seinem Debattenbeitrag klar, dass es ihm nicht darum gehe, Kinderpornographie zu verharmlosen. Im Gegenteil: Kindesmissbrauch müsse verhindert und verfolgt werden. Nur der Besitz solcher Bilder und Videos, der müsse legalisiert werden. Als wenn die Nachfrage sich einfach abkoppeln ließe von der immer größer werdenden Flut kinderpornographischer Inhalte.

Pirat Falkvinge hält das Besitzverbot für gefährlich, weil solche Regeln bereits zu "Zensur und elektronischer Bücherverbrennung" geführt hätten. Er mache sich Sorgen, weil "der Krieg um die Redefreiheit mit der Schlacht um die Kinderpornos entschieden" werde. Soll wohl heißen: Lieber den Besitz legalisieren als auch nur in den Verdacht kommen, die Meinungsfreiheit würde eingeschränkt.

Der Pirat geht sogar so weit, zu behaupten, die Verbotsgesetze würden Kinderschänder schützen, schreibt er auf seiner Homepage. Denn durch diese würde auch das normale Verhalten von Teenagern kriminalisiert und die Polizei müsste diesem Verhalten aufgrund der Gesetze nachgehen, anstatt sich auf die Verfolgung von Kinderschändern zu konzentrieren.

Abstrus wird es, wenn Falkvinge ein von ihm befürchtetes Zukunftsszenario beschwört: In naher Zukunft werde es zu einem "Quantensprung" beim Teilen von Fotos und Filmen in den sozialen Netzwerken kommen. Mit Datenbrillen - wie den schon in der Entwicklung befindlichen Google Glasses - würden Bilder in Echtzeit etwa auf Facebook gepostet werden können. Wer da "unabsichtlich" Zeuge einer Vergewaltigung eines Kindes würde, während seine Datenbrille alles ins Netz überträgt, der mache sich schon strafbar. "Du bist dann ein Krimineller, schuldig der Aufzeichnung, Verteilung und des Besitzes von Kinderpornografie", schreibt Falkvinge.

Ein abwegiges Bild, weil es unterstellt, kein einziger Augenzeuge würde zunächst dem Kind zu Hilfe eilen oder die Polizei rufen. Auch müsste eine Staatsanwaltschaft in einem solchen Szenario motiviert sein, die zufälligen Augenzeugen, die ihre eigene Unschuld durch die Aufnahme ebenfalls dokumentieren, strafrechtlich zu verfolgen.

Falkvinge glaubt, dass Angst vor möglichen strafrechtlichen Konsequenzen den Eifer, entsprechende Straftaten zu melden, bremsen könne. Das wiederum führe dazu, dass Kinderschänder nicht gefasst würden. Ginge es nach ihm, wäre allein die Vergewaltigung des Opfers strafbar. Der Kameramann, der die Kinderpornos aufzeichnet, wäre fein raus.

Sorgen macht sich Falkvinge auch um die Jugend. Nicht darum, dass diese moralisch verkommen könnte. Die Teenager würde heutzutage alles im Netz teilen und dokumentieren. Auch sich selbst nackt. Auch beim Sex. Das sei eine Erinnerung wie jede andere auch, findet Falkvinge. Für ihn führen die Kinderpornografie-Gesetze deshalb zu dem "schrecklichen und völlig inakzeptablen Nebeneffekt, dass die gesamte Generation der Heranwachsenden als Sexualstraftäter gebrandmarkt wird". Mit anderen Worten: Weil der Sex in Kinder- und Jugendpornos auch einvernehmlich zustande gekommen sein könnte, dürften solche Bilder nicht per se kriminalisiert werden.

Falkvinge sagt außerdem, es sei absurd, dass man Filme, die einen Mord zeigen, besitzen dürfe, Kinderpornos aber nicht.

Dem Gesetzgeber geht es um den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Erwachsenen und vor sich selbst. Für Falkvinge hingegen gehen solche Verbote auf christliche Fundamentalisten zurück, deren Ziel es sei, ihre Moral verunsicherten Teenagern aufzudrücken. Der Motivation der Abgeordneten, die hinter den Gesetzen steht, dürfte das mehrheitlich wohl kaum gerecht werden.

In einer früheren Version dieses Textes fand sich ein Verweis auf den früheren deutschen Bundestagsabgeordneten Jörg Tauss. Dieser Verweis enthielt leider inhaltliche Fehler. Wir haben ihn daher entfernt - und bitten um Entschuldigung.

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