Vorratsdatenspeicherung:Leviten-Lesung für Maas

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Bitte recht unfreundlich: Vor dem Reichstagsgebäude demonstrieren Aktivisten gegen die Speicherung von Daten auf Vorrat. (Foto: dpa)

Der Justizminister muss im Bundestag das Vorratsdaten-Gesetz rechtfertigen, das er lange abgelehnt hat - im September wird es weiter beraten.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) ist bei der ersten Lesung seines Gesetzentwurfs zur Vorratsdatenspeicherung von der Opposition als Umfaller bezeichnet worden. Maas habe noch vor wenigen Wochen sehr gute Argumente gegen die anlasslose Speicherung von Kommunikationsdaten gefunden, sagte der Abgeordnete der Linkspartei, Jan Korte, am Freitag im Bundestag. Der Justizminister sei jetzt nur wegen einer "Laune" von SPD-Chef Sigmar Gabriel umgeschwenkt.

Maas verteidigte das geplante Gesetz, das er in Abstimmung mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) formuliert hatte, als effektives und maßvolles Instrument zur Verfolgung von Mördern, Vergewaltigern und Straftätern aus dem Bereich der Kinderpornografie. Er wies außerdem darauf hin, dass der Gesetzentwurf nicht nur die Speicherung von Daten vorsieht, sondern auch zu einer fristgerechten Löschung dieser Daten verpflichtet. "Wir haben den Eingriff in die persönliche Freiheit auf ein Minimum begrenzt", sagte Maas. Er verwies darauf, dass auch heute schon Verbindungsdaten von den Telekommunikationsunternehmen gespeichert würden, auf die die Behörden zugreifen könnten - nur unterschiedlich lange und ohne gesetzliche Festlegungen für die Speicherung. "Nur mit einer gesetzlichen Regelung kann Rechtssicherheit für alle Beteiligten geschaffen werden", sagte der Minister.

Vizekanzler Gabriel hatte Druck auf Maas ausgeübt, der immer ein erklärter Gegner der Vorratsdatenspeicherung gewesen war. Damit wollte der Vizekanzler angesichts der islamistischen Terrorbedrohung in Europa das Profil der SPD im Bereich der inneren Sicherheit schärfen. Auch mehrere SPD-Landesinnenminister plädieren für die Einführung der Speicherpflicht. Auf Bundesebene entspricht das Gesetz allerdings in erster Linie einer Forderung der Union.

Der Gesetzentwurf von Maas sieht vor, dass Telekommunikationsunternehmen die Telefon- und Internetverbindungsdaten aller Bürger zehn Wochen lang speichern. Dazu gehören zum Beispiel die Rufnummern der beteiligten Anschlüsse, Zeitpunkt und Dauer der Anrufe sowie die IP-Adressen von Computern. E-Mails sind aber ausgenommen. Für die Standortdaten, die bei Handy-Gesprächen anfallen, ist eine verkürzte Speicherfrist von vier Wochen vorgesehen. Der Inhalt der Kommunikation wird allerdings nicht aufgezeichnet.

Die Grünen-Abgeordnete Katja Keul sagte, das geplante Gesetz werde nicht für mehr Sicherheit sorgen - im Gegenteil: Hacker und ausländische Geheimdienste könnten sich nach Belieben aus den gespeicherten Daten bedienen. In einer Stellungnahme warnte die einstige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP): "Wer immer mehr digitale Daten speichert, macht sich immer mehr zum Ziel von Kriminellen und Terroristen." Sie hatte in ihrer Amtszeit die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung verhindert. Ursprünglich sollte das Gesetz von Maas noch vor der Sommerpause den Bundestag passieren. Kurz vor der ersten Debatte wurde jedoch bekannt, dass die zweite und dritte Lesung erst im September stattfinden soll.

Die SPD veranstaltet am 20. Juni einen Parteikonvent, auf dem die Sozialdemokraten über ihre Haltung zur Vorratsdatenspeicherung beraten wollen. Mehr als zehn SPD-Landesverbände haben sich bereits gegen die Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen. Massive Kritik kommt auch vom linken Flügel der SPD und von den sozialdemokratischen Netzpolitikern. Es wird deshalb eine heftige Debatte erwartet.

Im Jahr 2007 hatte die damalige große Koalition bereits ein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung beschlossen. Dieses wurde 2010 vom Bundesverfassungsgericht als grundgesetzwidrig verworfen. Im April 2014 kippte der Europäische Gerichtshof dann auch die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung.

© SZ vom 13.06.2015 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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