Bundesverfassungsgericht:Menschenwürde passt nicht auf acht Quadratmeter

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Das Verfassungsgericht hat entschieden: Acht Quadratmeter ohne separate Toilette sind zu wenig Platz für zwei Gefangene. Brisant ist eine Nebenbemerkung des Karlsruher Beschlusses.

Zwei Gefangene, 23 Stunden am Tag eingesperrt in einer nur acht Quadratmeter kleinen Zelle ohne abgetrennte Toilette - solche Haftumstände verstoßen gegen die Menschenwürde. Das hat jetzt das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden. Brisant ist der Beschluss der Karlsruher Richter wegen einer Nebenbemerkung: Ist wegen Überbelegung keine menschenwürdige Unterbringung möglich, müssen Strafgefangene notfalls freigelassen werden.

Das Verfassungsgericht in Karlsruhe hat der Haftbeschwerde eines Gefängnisinsassen stattgegeben: Dieser hatte geklagt, weil er insgesamt 151 Tage mit wechselnden Mitgefangenen in jeweils nur acht Quadratmeter großen Zellen ohne separate Toilette untergebracht war. (Foto: dpa)

Das folgt aus einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss des BVerfG. Demnach verstößt es gegen die Menschenwürde, wenn mehrere Häftlinge in einer kleinen Zelle ohne separate Toilette untergebracht werden. Dem Betroffenen könne deshalb ein Anspruch auf Geldentschädigung zustehen. Notfalls müsse der Staat "im Falle menschenunwürdiger Haftbedingungen sofort auf die Durchsetzung des Strafanspruchs (...) verzichten", erklärten die Richter ( Az. 1 BvR 409/09).

"Rauch, Körperausdünstungen und Toilettengerüche"

Damit hatte die Verfassungsbeschwerde eines ehemaligen Häftlings aus Nordrhein-Westfalen Erfolg. Er war insgesamt 151 Tage mit wechselnden Mitgefangenen in jeweils acht Quadratmeter großen Zellen untergebracht, deren Toilette ohne getrennte Belüftung nur durch eine Sichtschutzwand abgetrennt war. Die meiste Zeit war er 23 Stunden am Tag in der Zelle eingeschlossen.

Die Gefangenen durften nur zweimal pro Woche duschen. Seine Zellengenossen seien starke Raucher gewesen. Dies habe "zu einem unerträglichen Gemisch aus Rauch, Körperausdünstungen und Toilettengerüchen geführt". Anträge auf Verlegung in eine Einzelzelle blieben ohne Erfolg.

Für die fragwürdigen Haftbedingungen wollte der Mann Geldentschädigung vom Land Nordrhein-Westfalen. Sein Antrag auf Prozesskostenhilfe wurde jedoch abgelehnt - eine Klage auf Entschädigung habe keine Aussicht auf Erfolg, befand das Landgericht Köln.

Dem widersprach nun das Bundesverfassungsgericht unter Berufung auf frühere Entscheidungen: Bei mehrfacher Belegung einer Gefängniszelle verstoße es gegen die Menschenwürde, wenn die übliche Mindestfläche pro Gefangenem unterschritten würde und die in die Zelle integrierte Toilette nicht räumlich abgetrennt und belüftet sei. Dies könne einen Anspruch auf Geldentschädigung begründen. Als übliche Mindestfläche nannte das Gericht sechs bis sieben Quadratmeter pro Gefangenem.

Wenn eine menschenwürdige Unterbringung nicht möglich ist, müssen Gefangene notfalls entlassen werden. Der Staat sei verpflichtet, in diesem Fall "auf die Durchsetzung des Strafanspruchs zu verzichten". Gefangene könnten "die Unterbrechung beziehungsweise die Aufschiebung der Strafe (...) beantragen".

© dpa/jobr/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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