Venezuela:Kampfeswille ungebrochen

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Oppositionsführer Leopoldo López wurde überraschend aus der Haft entlassen. Der konservative Politiker befindet sich nun in Hausarrest.

Von Boris Herrmann, Rio de Janeiro

Gut sieht er aus. Nicht allzu blass, die Oberarme durchtrainiert, Zweitagebart. Die ersten Bilder von Leopoldo López, die nach seiner Entlassung aus dem Militärgefängnis Ramo Verde entstanden, taugen bereits als Wahlkampfplakate. López mit dem Lächeln eines Siegers, die Faust zum Gruße, in der anderen Hand die venezolanische Flagge. Es sind Bilder, die Staatschef Nicolás Maduro nicht gefallen können.

López, 46, ist der mit Abstand bekannteste politische Gefangene in Venezuela. Am Samstag wurde er nach knapp dreieinhalb Jahren in Einzelhaft zur allgemeinen Überraschung in den Hausarrest verlegt. Er war 2014 nach gewaltsamen Protesten gegen die Regierung festgenommen worden. In einem weltweit als "Schauprozess" kritisierten Verfahren wurde er zu einer Freiheitsstrafe von fast 14 Jahren verurteilt. Als Anführer der konservativen Partei Voluntad Popular gehört er zu den aussichtsreichsten Präsidentschaftskandidaten im Fall eines Regimewechsels. Dabei galt er vor seiner Festnahme nicht unbedingt als Vorzeigedemokrat oder Friedensengel. Viele Venezolaner trauen ihm und seiner Partei genauso wenig über den Weg wie jenen regierenden Kleptomanen, die sich Sozialisten nennen. López verlässt seine Zelle aber gestärkt, obwohl er erst einmal mit elektronischer Fußfessel zu Hause festsitzt. Im Gefängnis wurde er zur Symbolfigur des bürgerlichen Widerstandes.

Daran hat auch seine Ehefrau Lilian Tintori großen Anteil. Sie hat eine Welttournee hinter sich, bei der sie um politische Unterstützung für den Vater ihrer beiden Kinder und gegen Maduro warb. Sie wurde unter anderem von Donald Trump im Weißen Haus empfangen. Barack Obama hatte bereits 2014 die Freilassung von López gefordert. Maduro bot daraufhin öffentlich einen Gefangenenaustausch an. Spätestens da war offensichtlich, dass in Venezuela der Präsident über das Schicksal seiner politischen Rivalen entscheidet - und nicht etwa die Justiz.

Der als verlängerter Arm des Präsidenten geltende Oberste Gerichtshof in Caracas begründete die Verlegung von López mit dessen angeblich schlechtem Gesundheitszustand. Es handele sich um eine "humanitäre Maßnahme". Maduro sagte, er habe sich nie in diesen Fall eingemischt, er unterstütze aber die Entscheidung des Gerichts. "Ich bin ein Präsident der Liebe und des Dialogs", teilte er mit.

Es ist das erste Mal, dass eine Forderung der Straßenprotestler zumindest in Teilen erfüllt wird

Da die meisten Venezolaner das anders sehen, gibt es seit Anfang April nahezu täglich Massenproteste gegen die Regierung. Dabei sind bereits 90 Menschen getötet worden. Maduro steht extrem unter Druck. Und der hat deutlich zugenommen, seit sich die lange Zeit linientreue Generalstaatsanwältin Luisa Ortega auf die Seite der Regimegegner stellte. Unter Ortegas Kommando war López verurteilt worden. Auch durch den jüngsten Sturm regierungstreuer Schlägertruppen auf das Parlament spitzte sich die Lage weiter zu. Viele Beobachter glauben deshalb, dass hinter der "humanitären Maßnahme" der Versuch steckt, etwas Druck aus dem Kessel zu lassen. Maduro forderte López auf, jetzt eine "Botschaft des Friedens" zu senden.

Daraus wird wohl nichts. In einem von Lopéz' Parteifreunden veröffentlichten Manifest heißt es: "Dieser Triumph ist auch ein Impuls, um den Freiheitskampf fortzusetzen." Zum einen gehe es um die Freilassung aller politischen Gefangenen in Venezuela, die Opposition spricht von 400 Menschen. Zum anderen zeige die Verlegung von López, dass die Regierung wanke. Es ist das erste Mal, dass eine Forderung der Protestler zumindest in Teilen erfüllt wird. Vor dem streng bewachten Haus der Familie López skandierten Regimegegner "Sí se puede", die venezolanische Version von "Yes we can."

© SZ vom 10.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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