Venezuela:Die Opposition fordert Maduro heraus

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Die Demonstrationen in Caracas mündeten in Ausschreitungen. (Foto: Federico Parra/AFP)

Bei Kundgebungen gegen den Präsidenten kommt es zu schweren Ausschreitungen. Zwei Demonstranten sterben.

Von Boris Herrmann, Rio de Janeiro

Bei landesweiten Massenkundgebungen gegen die Regierung von Nicolás Maduro ist es am Mittwoch in Venezuela erneut zu schweren Ausschreitungen gekommen. Polizei und Armee setzten Wasserwerfer und Tränengas gegen die Demonstranten ein. Nach Augenzeugenberichten sollen vor allem regierungstreue Milizen, die berüchtigten Colectivos, brutal gegen die Regierungsgegner vorgegangen sein. Zum Teil hätten sie wahllos in die Menge geschossen. Es gab Hunderte Verletzte und mindestens zwei Tote. Ein 17-jähriger Student wurde in der Hauptstadt Caracas von einem Schuss in den Kopf getroffen, eine 23-Jährige Frau starb bei Protesten im Bundesstaat Táchira.

Die Regierung hatte schon im Morgengrauen zentrale Zufahrtstraßen nach Caracas gesperrt, um die Anreise zu den Protestmärschen zu erschweren. Auch die Metro stand still. Trotzdem kamen Zehntausende an mehreren Punkten der Stadt zusammen. Anhänger Maduros versammelten sich bei einer Gegendemonstration. Dabei ging es auch um die Deutungshoheit über die Geschichte. Der 19. April ist ein symbolbeladenes Datum in Venezuela. An diesem Tag begann vor 207 Jahren der Unabhängigkeitskrieg gegen die spanischen Kolonialherren. Und vor vier Jahren begann an diesem Tag auch die Regierungszeit von Präsident Maduro - und damit für viele eine neue Form der Knechtschaft. In diesen vier Jahren hat Maduro aus dem autoritären Erdöl-Populismus seines Vorgängers Hugo Chávez endgültig ein wirtschaftliches Himmelfahrtskommando gemacht, das so wenig demokratisch wie sozialistisch ist. Aus Sicht der Opposition war dieser 19. April 2017 deshalb ein Anlass, um vielleicht etwas hochgegriffen zur "Mutter aller Demonstrationen" aufzurufen. Das Regime hielt dagegen, es sei ein "vaterländischer Tag", den man nicht den "Verrätern" und "Terroristen" überlassen dürfe.

Staatschef Maduro hatte die absehbare Eskalation der Gewalt scharf kritisiert und gleichzeitig selbst befördert. Am Dienstagabend teilte er im Staatsfernsehen mit, er habe den sogenannten "Plan Zamora" aktiviert. Damit werde er sein Land vor einem Staatsstreich schützen. Die Behauptung, es werde gegen ihn geputscht, gehört bei Maduro zum jedoch Standardrepertoire. Diesmal habe die US-Regierung den venezolanischen Regierungsgegnern angeblich "grünes Licht" gegeben, um einen Putsch gegen seine Herrschaft durchzuführen. Maduros Plan sieht deshalb unter anderem vor, 500 000 Mitglieder der zivilen Milizen mit Gewehren auszustatten. Durch diese Bewaffnung solle der Frieden im Land garantiert werden, teilte Maduro mit. Die Armeeführung hatte zuvor schon ihre "bedingungslose Loyalität gegenüber dem Präsidenten" bekundet.

Aus dem Lager Opposition hieß es, der Plan Zamora sei ein Versuch, die Bevölkerung vor den geplanten Kundgebungen einzuschüchtern. Der ehemalige Präsidentschaftskandidat Henrique Capriles sagte, Venezuela brauche keine neuen Waffen, sondern Lebensmittel und Medikamente. Das US-Außenministerium rief Maduro dazu auf, friedliche Kundgebungen nicht zu unterbinden. Ähnlich äußerten sich elf Länder Lateinamerikas in einer gemeinsamen Erklärung. All das verhallte ungehört.

Seit Anfang des Monats wurden in Venezuela bei Demonstrationen gegen die Regierung mindestens acht Menschen getötet, darunter ein 13-jähriger Junge. Fast alle starben durch Schüsse jener Milizen, die Maduro nun "zum Schutz des Friedens" weiter aufrüsten will.

© SZ vom 20.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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