USA:US-Bundespolizei befragt Witwe

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Die Ehefrau des Orlando-Attentäters könnte seine Komplizin gewesen sein. Donald Trump wird derweil für seine polemische Reaktion auf den Massenmord auch von den Republikanern kritisiert.

Von Nicolas Richter, Washington

Nach dem Massenmord in Orlando mit 49 Toten richtet sich die Aufmerksamkeit der Ermittler nun auf Noor Salman, die Witwe des Täters Omar Mateen. Die US-Bundespolizei FBI versucht herauszufinden, ob die 30-Jährige vorab von dem geplanten Anschlag wusste oder womöglich sogar Komplizin war. Im Gespräch mit den Ermittlern soll sie gesagt haben, dass sie ihn am Abend vor der Tat noch davon abbringen wollte. Auch soll sie ausgesagt haben, dass sie den Schwulen-Nachtclub Pulse gemeinsam mit ihrem Mann mindestens einmal vor der Tat besucht habe. In Polizeikreisen heißt es, dies könne als Tatorterkundung gelten. Noor Salman wurde zunächst nicht verhaftet.

Die Polizei rätselt noch immer über das genaue Motiv des Täters. Während der Tat bekannte er sich zur Terrormiliz Islamischer Staat. Einem Zeugen zufolge sagte Mateen am Tatort, die Amerikaner sollten aufhören, sein Land zu bombardieren. Mateen war US-Bürger, seine Eltern stammen aber aus Afghanistan, und sein Vater sympathisiert mit den radikalislamischen Taliban. US-Präsident Barack Obama erklärte, der Täter sei ein "zorniger, verwirrter, instabiler junger Mann" gewesen, der sich "radikalisiert" habe. Bislang gebe es keinen Hinweis, dass Mateen den Befehl einer ausländischen Terrorgruppe bekommen habe. Allerdings habe er sich über das Internet mit der extremistischen Propaganda des IS beschäftigt. Die Ermittler prüfen auch die Theorie, dass Mateen in erster Linie aus Schwulenhass gehandelt habe.

Trumps Reaktion auf den Anschlag zeigt, dass er seine Art nicht ändern will oder kann

Obwohl Mateen von Geburt an in Amerika lebte, hat seine Tat einen bitteren politischen Streit über Einwanderer ausgelöst, besonders über muslimische. Der republikanische Kandidat für die Präsidentschaft, Donald Trump, verlangt weitreichende Einreisebeschränkungen für Muslime allgemein und wirft Muslimen in Amerika vor, in Anschlagspläne eingeweiht zu sein. Präsident Obama hat Trumps Bemerkungen in ungewohnter Schärfe als "gefährlich" zurückgewiesen. Und Hillary Clinton, die demokratische Kandidatin für die Präsidentschaft, sagte, Trump sei nicht in der Lage gewesen, eine "ruhige, gefasste und würdevolle Antwort" auf das Massaker in Orlando zu finden.

Auch Politiker der republikanischen Partei distanzierten sich von ihrem Kandidaten. Paul Ryan, der Sprecher des Abgeordnetenhauses und höchstrangige Republikaner im Land, wies ein Einreiseverbot für Muslime zurück. Er glaube nicht, dass dies im Interesse der USA liege, sagte er. "Das gibt nicht unsere Grundsätze wieder, weder die unserer Partei noch die unseres Landes." Für Einwanderer müsse es einen "Sicherheitstest" geben, und nicht einen "Religionstest". Der Anführer der Republikaner im US-Senat, Mitch McConnell, weigerte sich derweil, auf eine Frage zu Trump auch nur zu antworten.

Die Parteispitze hatte gehofft, dass Trump nach den Vorwahlen seinen Ton mäßigen und als Versöhner auftreten würde. Doch seine Reaktion auf den Anschlag in Orlando zeigt, dass Trump seinen Stil entweder nicht ändern will oder nicht ändern kann. Der einflussreiche republikanische US-Senator Bob Corker, der Trump zuweilen gelobt hat, zeigte sich enttäuscht von dem Kandidaten für das Weiße Haus. "Traditionell ist dies eine Zeit, in der die Menschen im Land zusammenstehen; das ist dieses Mal offensichtlich nicht geschehen, und das ist sehr enttäuschend", sagte er. Corkers Kollegin Lindsey Graham rügte Trump wegen seiner Unterstellung, Obama mache gemeinsame Sache mit Islamisten. "Er scheint anzudeuten, dass der Präsident einer von denen ist. Das finde ich sehr beleidigend. Mit dieser Argumentation liegt er völlig falsch."

Trump wiederum verteidigte seine Äußerungen. Orlando habe wieder einmal bewiesen, "dass politische Korrektheit tödlich ist". Über Obama sagte er: "Er war wütender auf mich als auf den Todesschützen. Er sollte sich diesen Zorn aufheben für den Täter und für diese anderen Mörder, die nicht hier sein sollten."

Unterdessen geriet die Bundespolizei FBI in die Kritik, weil sie den Täter von Orlando in den vergangenen Jahren insgesamt zehn Monate lang überprüft und letztlich für harmlos befunden hatte. Auch vor dem Anschlag auf den Bostoner Marathon 2013 und auf eine Karikaturen-Ausstellung in der texanischen Stadt Garland im vergangenen Jahr waren die späteren Täter dem FBI aufgefallen, ohne dass die Beamten die Taten verhindern konnten. Die Bundespolizei verarbeitet zehntausend Hinweise pro Jahr und beobachtet etwa tausend Gefährder, offenbar stoßen die Staatsschützer damit an ihre Grenzen. Justizministerin Loretta Lynch betonte, der Fall Orlando werde auch unter dem Gesichtspunkt aufgeklärt, "ob wir daraus etwas lernen können, um künftige Tragödien zu verhindern".

© SZ vom 16.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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