USA: E-Mails von Republikanerin:Der Wort-Schatz der Sarah Palin

Der Schatz besteht nicht aus Gold, sondern aus 24.199 Seiten, wiegt mehr als 100 Kilogramm und kostet 725,97 Dollar: Alaska hat die E-Mails von Sarah Palin aus deren Zeit als Gouverneurin veröffentlicht. Weil das Idol der Ultrakonservativen mit einer Kandidatur für das Präsidentenamt 2012 kokettiert, suchen die Medien nach brisanten Informationen - und sie finden ein Lob für Barack Obama sowie Morddrohungen aus Belgien.

Matthias Kolb

Der juristische Kampf hat mehr als drei Jahre gedauert, nun zählt jede Minute im Wettrennen um die vermeintlichen Enthüllungen. Mehrere US-Medien hatten unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz die Herausgabe der Dienst-E-Mails von Sarah Palin gefordert. Am gestrigen Freitag gab der US-Bundesstaat Alaska die elektronischen Briefe der früheren Gouverneurin nun heraus - und stellte die Journalisten vor eine logistische Herausforderung.

Boxes containing some of former Governor Sarah Palin's emails are seen in a reporter's vehicle in Anchorage

In mehreren Kisten bringen Journalisten die mehr als 24.000 Seiten mit ausgedruckten E-Mails von Sarah Palin in ihre Redaktionen. Sie stammen aus der Zeit zwischen Dezember 2006 und September 2008 - damals war die Republikanerin Gouverneurin in Alaska. Sie trat im Juli 2009 von ihrem Amt zurück.

(Foto: Reuters)

Die 24.199 Seiten wurden auf Papier ausgedruckt, vervielfacht, in Kisten gepackt und in einem kleinen Büro in Juneau, der Hauptstadt Alaskas, ausgegeben - dabei ist die Kleinstadt nur aus der Luft oder vom Wasser aus erreichbar. Die schlechte Internetverbindung erschwerte zusätzlich die Arbeitsmöglichkeiten der Medienvertreter. Drei Cents wurden als Kopierkosten pro Seite berechnet, so dass das Gesamtpaket 725,97 Dollar kostet.

Die Verzögerung war mit der riesigen Menge der Daten und der Flut von Anfragen begründet worden. Als erster hatte David Corn vom investigativen Magazin Mother Jones auf die Herausgabe der Mails geklagt - ihn interessierte die Zeit zwischen Palins Amtsantritt als Gouverneurin im Dezember 2006 bis zu ihrer Nominierung als republikanische Vizepräsidentschaftskandidatin an der Seite von John McCain am 1. September 2008.

Palin nutzte während ihrer fast dreijährigen Zeit als Gouverneurin eine Adresse des privaten Internet-Providers yahoo (gov.palin@yahoo.com). Etwa 2400 als vertraulich oder privat eingestufte Seiten bleiben dagegen unter Verschluss. Noch vor der Präsidentschaftswahl im November 2008 hatte der "Troopergate"-Skandal für Schlagzeilen gesorgt: Palin war vorgeworfen worden, den Polizeichef von Anchorage aus persönlichen Gründen entlassen zu haben. Dieser hatte sich geweigert, den ehemaligen Schwager Palins zu entlassen, obwohl ihn die Gouverneurin mehrmals dazu aufgefordert hatte.

Umfangreiche Berichterstattung der Us-Medien

Da das Idol der ultrakonservativen Tea-Party-Bewegung bisher nicht ausgeschlossen hat, 2012 Amtsinhaber Barack Obama herauszufordern, und gerade eine Bustour zu historischen Stätten Amerikas unternimmt, elektrisiert die Aussicht auf spektakuläre Funde die amerikanischen und auch einige internationale Medien.

So schickte der britische Guardian zwei Reporter in den hohen Norden und berichtet von London aus in einem Live-Blog über die neuesten Enthüllungen. Ähnlich informiert Mother Jones auf der eigenen Website, während die New York Times angekündigt hat, Leser zu engagieren, um die E-Mails so schnell wie möglich zu durchforsten. MSNBC hat gemeinsam mit Pro Publica und Mother Jones die Mails ins Netz gestellt.

Sarah Palin gab sich im Gespräch mit dem Sender Fox News, der sie als hochbezahlte Kommentatorin beschäftigt, wenige Tage vor der Veröffentlichung gelassen. Sie mache sich keine Sorgen - allerdings könnten manche Zitate aus dem Zusammenhang gerissen werden. Zugleich betonte die 47-Jährige, dass viele der Mails nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen seien.

Die ersten Erkenntnisse

Ihre Anwälte hatten die Gelegenheit, den Schriftverkehr auf eine mögliche Verletzung der Privatsphäre hin zu prüfen. Es seien deswegen aber keine Mails zurückgehalten oder verändert worden, betonte Verwaltungsdirektorin Linda Perez, die die Veröffentlichung koordinierte. Mehrere Medien fordern auch die Herausgabe der restlichen Dienst-E-Mails, also jene aus der Zeit zwischen der Nominierung als running mate im September 2008 und dem Rücktritt als Gouverneurin Juli 2009.

USA: E-Mails von Republikanerin: Eine E-Mail von Sarah Palin aus ihrer Zeit als Gouverneurin von Alaska.

Eine E-Mail von Sarah Palin aus ihrer Zeit als Gouverneurin von Alaska.

(Foto: AP)

Der Guardian urteilt nach einer ersten Sichtung, die schätzungsweise 13.000 E-Mails zeichneten das Porträt einer bemühten Provinzpolitikerin, die damit kämpfe, mit den Anforderungen ihres Amtes zurecht zu kommen. Darüber hinaus finden sich im E-Mail-Verkehr von Sarah Palin zahlreiche Banalitäten.

[] Die Gouverneurin von Alaska erhielt nach ihrer Nominierung als McCain-Stellvertreterin mehrere Morddrohungen. Laut Los Angeles Times hieß es in einer Nachricht, Palin müsse "getötet werden". Die Politikerin gehöre nicht der mächtigen Waffenlobby National Rifle Association (NRA) an, "um das Recht jedes Bürgers auf den Besitz von Waffen zur Selbstverteidigung zu unterstützen, sondern um das Recht jedes weißen Bürgers aus dem Süden zu unterstützen, alle nicht-weißen Leute legal zu erschießen". Auch in einer aus dem belgischen Antwerpen verschickten Mail wurde dazu aufgerufen, Palin zu töten, da erst dann "Gerechtigkeit hergestellt" sei.

[] Über die Gerüchte um ihre eigene Person und ihre Familie zeigte sich Palin überrascht und erbost. In einer Mail erkundigt sie sich, wer behauptet habe, sie hätte ihren Sohn Trig nicht ordentlich im Sitz festgeschnallt.

[] Die New York Times zitiert aus einer Mail von Palin Ende August 2008. "Kannst Du es glauben?", antwortete sie auf einen Glückwunsch zu ihrer Nominierung als Vizepräsidentschaftskandidatin durch John McCain. "Er (McCain) hat es mir gestern gesagt - es ging schnell voran!" Der Betreff der Gratulationsmail lautete: "wow governor".

[] Palin war selbst von ihrer Nominierung sehr überrascht. Sie sei "kaum gewarnt" worden, was nun auf sie zukomme, berichtet die New York Times. Die Sicherheitsüberprüfung durch das McCain-Team habe nur wenige Tage gedauert.

[] Bevor sie von John McCain auserwählt wurde, hatte Palin keinen langen Aufenthalt beim Nominierungsparteitag geplant. Sie beabsichtigte, ohne Ehemann Todd und ihr Baby anzureisen und weniger als fünf Tage in Saint Paul zu bleiben.

[] Immer wieder kommt in den Mails ihr Unmut über die Medien zum Ausdruck. "Arghhhh!", kommentiert Palin Journalistenfragen nach ihrem Lieblingsgedicht und ihrer Sonnenbank im Gouverneurssitz. Zudem wollten machen Medienvertreter wissen, ob Palin glaube, dass Menschen und Dinosaurier gleichzeitig auf der Erde exisitiert hätten.

[] Sie machte sich Gedanken über ihrer Außenwirkung. In mehreren Mails holte sie sich Ratschläge, wie sie den Bürgern von Alaska deutlich machen könnte, dass dieser Job für sie weiterhin höchste Priorität habe. Täglich sollten deswegen Pressemeldungen über regionale Belange aus dem Gouverneurspalast verschickt werden.

[] Palin kommentierte auch eine Rede des demokratischen Bewerbers Barack Obama, in der sich der heutige Präsident über Energiepolitik äußerte und dabei Alaska erwähnte. Die Gouverneurin fand dies "ziemlich cool". Ihr Urteil änderte sich jedoch nicht: "Falscher Kandidat".

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