US-Wahlkampf:Duell ohne Knalleffekt

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In der TV-Debatte bestätigen Trump und Clinton, dass sie eben sind, wie sie sind. Die Amerikaner haben die Wahl zwischen einem egomanischen Spinner und einer pragmatischen Zynikerin. Und es ist noch längst nicht gesagt, dass der Spinner verliert.

Von Hubert Wetzel

Was weiß man nach dieser Debatte, was man vorher nicht wusste? Nicht viel, sofern man das vergangene Jahr nicht irgendwo in einer fernen Galaxie verbracht hat. Beide Kandidaten waren so, wie sie sich seit Monaten bei ihren Wahlkampfauftritten im ganzen Land zeigen. Donald Trump war Donald Trump - reizbar, unhöflich, dünnhäutig, egomanisch, polternd, chaotisch. Hillary Clinton war Hillary Clinton - ruhig, bestens vorbereitet, ein bisschen dröge zuweilen, aber sehr solide.

Auch in der Sache gab es kaum Neues. Clinton hat für jedes Problem einen detaillierten Plan. Trump hat für jedes Problem einen kraftmeiernden Spruch. Clintons Lösungsvorschläge sind zumeist so kompliziert, dass nur sie selbst und ein paar Fachleute sie verstehen. Trump umgeht dieses Dilemma, indem er erst gar keine Lösungen vorschlägt. Hillary Clinton hat für den Fall eines Wahlsiegs praktisch die ersten zwei, drei Jahre ihrer Präsidentschaft vorgeplant. Donald Trump würde, sollte er gewinnen, am 20. Januar 2017 ins Weiße Haus einziehen, ohne die geringste Ahnung zu haben, was er eigentlich am 21. Januar machen will.

Wenn also, wie die konservative Kolumnistin Peggy Noonan vor ein paar Tagen meinte, die Amerikaner die Wahl haben, zwischen "der Zynikerin und dem Spinner", dann muss man nach dieser Debatte sagen: Die Zynikerin weiß zumindest, was sie tut. Der Spinner irrlichtert nur herum.

Aber all das wissen die amerikanischen Wähler ja seit Langem. Die Tragik dieses Wahlkampfs ist ja gerade, dass knapp die Hälfte der Bürger immer noch einen Mann als Präsidenten wollen, der ständig die Unwahrheit sagt, der Mitbürger beleidigt, der gegen Minderheiten hetzt und der bei vielen Dingen ganz offensichtlich keine Ahnung hat, wovon er redet. Man sollte also nicht darauf wetten, dass die Bewohner von Trump-Land sich davon beeindrucken lassen, dass - um mit Noonan zu sprechen - der Spinner wieder einmal bewiesen hat, dass er spinnt. Genau dafür verehren sie ihn schließlich.

Trumps Spinnerei verdeckt freilich, dass Clinton alles andere als eine gute Kandidatin ist. Der Republikaner ist ein notorischer Lügner, aber das bedeutet beileibe nicht, dass die Demokratin nicht auch die eine oder andere taktische Lüge einstreut, wenn es ihr nützt. "Zynikerin" ist in dieser Hinsicht eine durchaus passende Beschreibung für Clinton. Trump scheint schon gar nicht mehr zu wissen, wann er lügt und wann er die Wahrheit sagt, ob er es absichtlich tut oder nur so, weil es halt bequem ist. Clinton hingegen weiß es genau.

Die TV-Debatte zeigt: Clinton oder Trump - diese Auswahl ist traurig

Bei der Debatte hatte Clinton es leichter als Trump. Sie wurde zu keinem der Themen vernommen, die sie in den vergangenen Monaten immer wieder in Bedrängnis gebracht haben - weder zu den toten Diplomaten im libyschen Bengasi, noch zu ihrem illegalen privaten E-Mail-Server, den sie als Außenministerin benutzte, noch zu den fragwürdigen Beziehungen zwischen ihrem Ministerbüro und der Clinton-Familienstiftung. Trump hingegen musste sich andauernd (und völlig zu Recht) für zweifelhafte Dinge verteidigen, die er getan oder gesagt hat. Er tat das auf seine typische motzige, rechthaberische Art, die einen immer an einen beleidigten Zehnjährigen denken lässt. Clinton sah lächelnd zu.

Vor der Debatte wurde freigiebig mit Adjektiven herumgeworfen. Spektakulär werde das Duell sein, historisch sowieso und bestimmt wahlentscheidend. Am Montagabend war der Eindruck ernüchternd: Die Amerikaner, die in den vergangenen hundert Jahren einige imponierende Männer zu ihren Präsidenten gemacht haben, dürfen dieses Jahr wählen zwischen einem miserablen Bewerber und einer im Vergleich dazu akzeptablen Bewerberin. Was würde Trump dazu twittern? "Traurig!"

© SZ vom 28.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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