US-Stabschef William Daley tritt zurück:Abgeprallt am inneren Zirkel Obamas

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Ein Job wie ein Schleudersitz: Binnen kurzer Zeit gibt schon der zweite Stabschef im Weißen Haus seinen Job auf. William Daley verlässt US-Präsident Barack Obama, offiziell seiner Familie zuliebe. Doch in Washington sprießen die Gerüchte, gut gedüngt auch durch ein neues Buch über die Obamas. Spielte die First Lady eine Rolle? Oder war Daley einfach zu sehr Außenseiter?

Kathrin Haimerl

Fast auf den Tag genau ein Jahr ist es her, dass US-Präsident Barack Obama seinen neuen Stabschef präsentierte: Bei der Vorstellung des wirtschaftsnahen William Daley im Weißen Haus geriet der Präsident am 7. Januar 2011 ins Schwärmen. Wenige Amerikaner könnten eine derartige Erfahrung vorweisen, hatte Obama erklärt.

"Keine leichte Neuigkeit": US-Präsident Barack Obama (Mitte), der scheidende Stabschef Bill Daley (rechts) und dessen Nachfolger Jack Lew während der Pressekonferenz im State Dining Room. (Foto: dpa)

Ein Jahr später erklärt Daley seinen Rücktritt . "Ganz offensichtlich war dies für mich keine leichte Neuigkeit", erklärte Obama in einer kurzen Pressekonferenz im State Dining Room, dem größeren der beiden Speisesäle im Weißen Haus. Doch schlussendlich habe ihn die Liebe zu der gemeinsamen Heimatstadt überzeugt. Daley hatte seinen Rücktritt damit begründet, dass er zu seiner Familie nach Chicago zurückkehren wolle.

Daleys Frust war kein Geheimnis

Private Gründe gelten in Washington häufig als Ausrede - und als klarer Hinweis dafür, dass mehr im Spiel war. Beobachter schätzen Daleys Amtszeit allgemein als glücklos ein, im Kongress etwa kritisierte man häufig, dass Daley bei den oft zähen Verhandlungen nicht den richtigen Ton treffe. So fühlte sich im vergangenen Jahr der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid, brüskiert, als Daley sowohl den Republikanern als auch den Demokraten die Schuld an den stockenden Verhandlungen gab.

Kein Geheimnis war, dass Daley in Washington frustriert war. Er sei einfach zu lange zu weit weg vom politischen Washington gewesen, ihm fehle das Gespür für den inneren Zirkel an Beratern, mit dem sich der Präsident umgebe, schreibt etwa Politico. Gerüchte, wonach Daley gehen wolle, habe es bereits im vergangenen Jahr gegeben: Im Oktober sagte Daley einem Chicagoer TV-Sender, dass er im Januar 2013, zum Ende von Obamas Amtszeit, das Weiße Haus verlassen wolle.

Gelinde gesagt: angespannt

Und doch: Daleys Rückzug kommt überraschend. Unklar bleibt, ob der US-Präsident nicht selbst den Abgang forciert hat, jedenfalls sorgt Daleys Rücktrittserklärung in Washington für allerlei Spekulationen. Spielte womöglich die First Lady eine Rolle?

Vor wenigen Tagen wurde aus dem neuen Buch The Obamas der New-York-Times-Reporterin Jodi Kantor vorab bekannt, dass das Verhältnis Michelle Obamas zu Daleys Vorgänger Rahm Emanuel gelinde gesagt angespannt gewesen sein soll. Unter anderem seien die beiden wegen Obamas Gesundheitsreform aneinandergeraten, Michelle Obama soll den engsten Berater ihres Mannes ausgebremst haben. Ging es Daley auch so?

In seinem Rücktrittsschreiben findet Daley nur wohlwollende Worte für die Regierung Obama. Es sei ihm eine Ehre gewesen, Teil von dessen Team gewesen zu sein. Der Präsident revanchierte sich und überschüttete Daley mit Lob: Dieser sei ein "herausragender Stabschef während eines der anstrengendsten und wichtigsten Jahre meiner Präsidentschaft" gewesen. "Keiner in meinem Team musste wichtige Entscheidungen schneller treffen als Bill."

Obama kündigte an, Daley auch künftig regelmäßig um Rat fragen zu wollen. Hochrangigen Regierungsbeamten zufolge wird der 63-Jährige eine Rolle in der Spendenkampagne für Obamas Wiederwahl spielen.

Pragmatischer Liberaler mit Sanftmut

Auch die Wahl des Nachfolgers geht Obama zufolge auf einen Vorschlag von Daley zurück: Jacob "Jack" Lew, aktuell Etatdirektor der Regierung, hatte Daley bei seinen Versuchen unterstützt, einen Haushaltsdeal mit den Republikanern zu verhandeln. Ob er darin erfolgreicher sein wird und ob Lew sich nachhaltig im inneren Washingtoner Zirkel etablieren kann, wird sich zeigen müssen.

Führende Demokraten, darunter auch Senator Harry Reid, sind jedenfalls begeistert. Reid bezeichnete Lew der New York Times zufolge als "großartigen Profi mit besten Kenntnissen des Kongresses". Der 56-Jährige gilt als pragmatischer Liberaler und sanftmütiger Technokrat, der auf eine lange Erfahrung im Weißen Haus und im Kongress zurückblicken kann.

Das sollte ihm helfen - vorausgesetzt, er kommt auch mit der First Lady klar.

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