US-Geheimdienst CIA:Undercover in der Bundesrepublik

Deutschland ist noch immer Operationsgebiet für den US-Geheimdienst. Mehr als 120 CIA-Agenten arbeiten hier - und benehmen sich wie in ihrem eigenen Hinterhof.

H. Leyendecker

Über zwanzig Jahre hat der CIA-Agent Kyle Dustin Foggo, 55, dem amerikanischen Auslandsgeheimdienst als Quartier- und als Zeugmeister gedient. An fünf Orten war der Mann, den Kollegen nur "Dusty" nannten, in dieser Zeit bei so genannten Undercover-Aktionen im Einsatz - darunter Plätze wie Tegucigalpa in Honduras, Wien und auch Frankfurt. Mitte der Woche wurde bekannt, dass er von Deutschland aus seit 2003 den Bau von drei Geheimgefängnissen der CIA in Osteuropa und Marokko organisiert hat. In solchen Knästen wurden heimlich Terrorverdächtige untergebracht und, wie es hieß, "verbesserten Verhörtechniken" unterzogen - der Folter, die in Amerika nach herrschendem Gesetz verboten ist.

US-Geheimdienst CIA: Schon lange in Deutschland aktiv: Der US-Auslandsgeheimdienst CIA.

Schon lange in Deutschland aktiv: Der US-Auslandsgeheimdienst CIA.

(Foto: Foto: dpa)

Deutsche Sicherheitsbehörden äußern sich offiziell nicht zum Fall Foggo. In Hintergrundgesprächen erklären Sicherheitsbeamte, sie hätten von dem Treiben des sehr speziellen CIA-Agenten in Deutschland nichts gewusst. Das sei Sache der Amerikaner. "Wenn wir etwas mitbekommen hätten", sagt ein hochrangiger Beamter, "hätte das aber auch nichts geändert".

Thema bei deutschen Behörden sei nur gewesen, dass der ehemalige Frankfurter Quartiermeister Ende 2004 völlig überraschend die Nummer drei der CIA in Washington geworden sei und dass er im Mai 2006 im Zusammenhang mit einer Schmiergeldgeschichte zurückgetreten sei. Später wurde er zu drei Jahren Haft verurteilt.

Amerikanische Nachrichtendienste, das zeigt der Fall Foggo, agieren auch unter Freunden oft unkonventionell und benehmen sich wie auf dem eigenen Hinterhof. Offiziell sind die deutschen Dienste nur Kooperationspartner. Inoffiziell ist die Republik immer noch Operationsgebiet für amerikanische Dienste. Hortensie I., so das Synonym des Bundesnachrichtendienstes für die CIA, und Hortensie III, wie die Lauscher von der National Security Agency (NSA) genannt werden, waren zeitweise in Deutschland allgegenwärtig. Sie warben und werben Informanten an und observieren Verdächtige - oft ohne die deutschen Kollegen zu informieren.

Fischen im Stasi-Sumpf

Ziemlich ungeniert fischten die Amerikaner nach dem Fall der Berliner Mauer im Stasi-Sumpf. Mit viel Geld kauften sie die Pretiosen der Hauptverwaltung Aufklärung auf: Karteien über die Spione des Markus Wolf, auf denen die entsprechenden Quellen und Führungsoffiziere vermerkt waren - mit Klar- und Decknamen. Das Material brachten die Amerikaner ins CIA-Hauptquartier nach Langley. Es dauerte ein Jahrzehnt bis deutsche Ermittler das Material (gefiltert) erhielten. Vorher durften sie sich die Unterlagen in Langley anschauen und sich Notizen machen. Wenn die deutschen Dienste sich so verhalten hätten, wäre das ein Politikum gewesen.

Nur selten wird der Ärger über Eigenmächtigkeiten der US-Dienste hierzulande publik. So wurde 1997 die amerikanische Botschaft von der Bundesregierung aufgefordert, einen Agenten nach Hause zu schicken. Der Mann hatte, getarnt als zweiter Sekretär der US-Botschaft, einen Ministerialrat im Bundeswirtschaftsministerium ausforschen wollen. Er musste das Land verlassen.

Blutige Episode im Iran

Schätzungsweise mehr als 120 CIA-Agenten arbeiten in Deutschland. Sie haben Zugang zum Anti-Terror-Zentrum in Berlin, sitzen in der Botschaft in Berlin, in Konsulaten, in München und natürlich auch in Frankfurt. Die CIA hatte ihre technische Zentrale für Operationen in Europa viele Jahre in einem Gebäude der ehemaligen I.G. Farben und die NSA hatte eine ihrer deutschen Lauschstationen zwischen Zeil und Großer Eschenheimer Straße in Frankfurt. Amerikanische Abhörer saßen früher in der obersten Etage des Postscheckamtes.

Im Herbst 1989 war das Treiben des CIA-Büros in Frankfurt weltweit unter den Sicherheitsleuten Thema. Die Frankfurter CIA-Leute verwendeten noch die Technik der unsichtbaren Tinte. Ein reichlich ungeschickter Miarbeiter der CIA schickte damals an alle Agenten des Dienstes im Iran Briefe von der gleichen Frankfurter Poststelle, alle mit demselben Absender, in der gleichen Handschrift. Das Agentennetz der CIA im Iran flog auf und etliche Spione wurden hingerichtet.

Druckertinte und amerikanische Uniform

Aus den Anfängen der im Juli 1947 gegründeten CIA ist eine weniger blutige Episode überliefert, die auch in Frankfurt spielte und die der Pulitzer-Preisträger Tim Weiner in seinem Buch über den Geheimdienst (CIA - Die ganze Geschichte") publiziert hat.

Demnach hatte die Polizei 1948 in Frankfurt einen Fälscherring ausgehoben, dessen Hauptfigur ein Pole namens Polansky gewesen sei. Bei ihm waren nicht nur Druckerpressen, Falschgeld, Platten und Druckertinte, sondern auch eine amerikanische Uniform, eine Waffe und eine Karte für den Einkauf im Armee-Laden sichergestellt worden.

Falschmünzerei unter Agenten

Die Anklage gegen ihn bereitete ein US-Offizier vor, der 1948 in der amerikanischen Besatzungszone als Staatsanwalt für den Bezirk Frankfurt tätig war. Er bekam Besuch von einem CIA-Offizier. Der Dialog soll sich so abgespielt haben: "Was kann ich für Sie tun?" "Sie haben den Polen inhaftiert, der Polansky heißt. Er ist einer von uns." "Was meinen Sie mit einer von uns?" "Wir bezahlen ihn. Er gehört zur CIA." "Seit wann stellt die CIA Leute ein, die Dollarnoten fälschen?" "Nee, nee. Das hat er in seiner Freizeit gemacht." "Also zählt es gar nicht, oder?" "Ja eben, es zählt nicht. Er ist unser bester Mann für die Herstellung von Dokumenten, Pässen und allen möglichen Sachen, die wir brauchen, um in den Osten zu gehen." "Okay, das ist alles ganz schön, aber trotzdem hat er eine Straftat begangen, und mir ist es völlig schnuppe, für wen er arbeitet". Der US-Offizier in Frankfurt setzte am Ende durch, dass der CIA-Helfer dann doch wegen Falschmünzerei verurteilt wurde.

Keine Rechtshilfe aus den USA

Ob der Ausgang einer so krummen Geschichte heute ähnlich verlaufen würde, ist eher unwahrscheinlich. Wegen der Verschleppung des Deutsch-Libanesen Khaled el-Masri durch Agenten der CIA nach Afghanistan und der Entführung eines ägyptischen Imams, der über Ramstein in Rheinland-Pfalz nach Kairo geflogen wurde und dort gefoltert worden sein soll, ermittelten deutsche Staatsanwaltschaften gegen CIA-Agenten. Die USA gaben keinerlei Rechtshilfe. Der Europarat hat von 2005 bis 2007 Berichte über in Europa vermutete CIA-Gefängnisse untersucht. Amerika-nische Behörden verweigerten jegliche Auskunft.

Nach einer Liste der deutschen Flugaufsicht haben in den Jahren 2002 und 2003 zwei Jets, die häufig von der CIA gechartert wurden, insgesamt 283 mal die Flughäfen in Frankfurt, Berlin und Ramstein angeflogen. Zu den Aufgaben von Foggo gehörte es, dass sie auch immer wieder mal mit den richtigen Utensilien beladen wurden. Das konnte beispielsweise weiches Sperrholz sein. Das Holz sollte verhindern, dass sich die Häftlinge bei den Verhören verletzten, wenn sie gegen die Wand geworfen wurden.

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