Untersuchungsausschuss in Thüringen:Der Blumen schickt und Zwietracht sät

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Monatelang stellte ein Rechtsextremer in Thüringen Politikern der Linken nach. Als V-Mann bekam er viel Geld vom Verfassungsschutz. Ein Untersuchungsausschuss soll nun klären, ob der NPD-Politiker im Gegenzug auch Informationen über Linksextreme lieferte.

Von John Goetz und Tanjev Schultz

Die Abgeordneten in Thüringen müssen sich derzeit nicht nur mit dem Versagen der Behörden rund um die Terrorzelle NSU beschäftigen. Im Landtag ist noch ein weiterer Untersuchungsausschuss eingerichtet worden, der für den Inlandsgeheimdienst unangenehm ist. Er soll die Trinkaus-Affäre aufklären. Es geht um einen V-Mann, der Blumen schickt und um einen Verfassungsschützer, der angeblich eine Adlerfigur verschenkt.

Kai-Uwe Trinkaus war 2007 NPD-Kreisvorsitzender in Erfurt (ein Jahr später schloss ihn die NPD nach einem internen Machtkampf aus). Trinkaus war damals aber nicht nur ein umtriebiger Rechtsextremist. Zugleich arbeitete er als V-Mann für den Thüringer Verfassungsschutz, Deckname "Ares".

In der Antike ist Ares der Kriegsgott; der Gott, der Zwietracht sät und sich im Streit suhlt. Trinkaus baut damals die rechte Szene in Erfurt auf und provoziert die Linken, indem er ihre Nähe sucht. Der jungen Linken-Abgeordneten Susanne Hennig, die sich seit Jahren gegen Neonazis engagiert, stellt er regelrecht nach - mit perfider Freundlichkeit. Er schickt ihr Blumen, lädt sie zum Kaffee ein. Auch andere Linke bekommen damals ungebetenen Besuch von Trinkaus. Seitdem sie nun wissen, dass Trinkaus Geld vom Verfassungsschutz bekam, stellen sich neue Fragen.

Fehlende Zuverlässigkeit

Was wusste der Verfassungsschutz? Hat er seinen V-Mann nicht nur genutzt, um etwas über die rechte Szene zu erfahren, sondern auch, um die Linken zu stören? Kai-Uwe Trinkaus macht bei einem Treffen in dieser Woche solche Andeutungen. Er spricht von einer "positiven Tolerierung" seiner Aktionen durch das Amt.

Das Landesamt für Verfassungsschutz weist das zurück. Es teilt mit, der Mann sei damals "eindringlich und wiederholt" über seine Pflichten belehrt worden. Persönliche Kontakte zu Linken sollte er unterlassen. Wegen fehlender Zuverlässigkeit habe man "Ares" schließlich auch abgeschaltet, also die Zusammenarbeit beendet (das war im September 2007).

Man darf nicht alles glauben, was (ehemalige) V-Männer erzählen. Aber manchmal steckt auch in ihren wildesten Erzählungen ein wahrer Kern. Auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung muss der Verfassungsschutz jetzt einräumen, dass "nach derzeitigem Auswertungsstand" der Akten damals zumindest zwei "Sachverhalte", die der V-Mann berichtet hatte, weitergereicht wurden an das Referat für Linksextremismus. Eigentlich war Ares ja nur auf die rechte Szene angesetzt. Aber wenn etwas über die linken "Autonomen" abfiel, wurde auch das beachtet.

"Ein paar hinter die Ohren schadet ja niemanden"

An einem Maifeiertag prallten in Erfurt Neonazis und linke Demonstranten aufeinander. Der Fotograf einer Lokalzeitung geriet ins Getümmel, plötzlich war seine Kamera weg. Trinkaus sagt, jemand habe ihm später eine CD mit Fotos angeboten. Darauf sollen Rechte, aber auch Linke zu sehen gewesen sein. Der Verfassungsschutz habe "gesteigertes Interesse" daran gezeigt, also habe er die CD seinem "V-Mann-Führer" übergeben. Das Amt bestätigt, damals eine CD mit Bildern erhalten zu haben. Trinkaus habe jedoch "auf eigene Initiative" gehandelt.

Im Jahr 2007 gelangte die NPD zudem an eine Liste mit den Namen mutmaßlicher Linksextremisten. Trinkaus behauptet, sein "V-Mann-Führer" habe sie ihm gezeigt, damit er sie abschreiben konnte. Der Beamte habe dazu gesagt, "ein paar hinter die Ohren schadet ja niemandem". Das Landesamt teilt dazu mit, der Bedienstete bestreite die Behauptungen. Der ganze Fall sei derzeit Gegenstand von Prüfungen der Staatsanwaltschaft.

Trinkaus verbreitet noch eine Geschichte, die zumindest gut ausgedacht wäre, wenn sie nicht wahr sein sollte: Er habe noch eine "schöne Erinnerung" an seine Zeit als V-Mann. Der für ihn zuständige Beamte habe ihm nämlich eine kleine, gegossene Adlerfigur überreicht. Sie habe einen Holzsockel, sagt Trinkaus, auf dem übrigens genügend Platz sei, um eine Swastika, also ein Hakenkreuz, aufzumalen, was er allerdings nicht getan habe. Der Verfassungsschützer habe gesagt, solche Figuren würde ein Verwandter herstellen, und Trinkaus könne ja vielleicht in der Szene mal rumfragen, ob jemand so etwas kaufen wolle. Das Landesamt für Verfassungsschutz erklärt, die Geschichte stimme nicht.

Man darf skeptisch sein, ob der Untersuchungsausschuss, der an diesem Freitag wieder tagt, je die ganze Wahrheit über "Ares" herausfinden wird. Trinkaus ist geschickt im Spiel von Information und Provokation. Aber der Verfassungsschutz beherrscht dieses Spiel ebenfalls. Eine Zeitlang haben die beiden ja auch miteinander Geschäfte gemacht. Der Verfassungsschutz hat dem V-Mann Ares innerhalb von nicht einmal anderthalb Jahren Honorare in Höhe von insgesamt gut 15.000 Euro bezahlt.

Die ganze Geschichte lesen Sie am Freitag, 11.10.2013 auf der Seite 3 der Süddeutschen Zeitung.

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