Unterstützer der Zwickauer Terror-Zelle:Netzwerk der alten Kameraden

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Sie sammelten Geld, fungierten als Boten und liehen dem Zwickauer Terror-Trio Pässe. Die drei Neonazis konnte sich in Thüringen und Sachsen offenbar auf mehr Unterstützer verlassen als angenommen. Wer bislang verdächtigt wird.

Christiane Kohl, Erfurt

Die Nachricht, dass er einen Anruf aus dem Untergrund bekommen würde, erreichte den jungen Neo-Nazi über drei Ecken: "Mir war angekündigt worden, dass die drei mich sprechen wollten", sagt der Mann. Wenig später habe er einen Anruf auf seiner Arbeitsstelle erhalten: "Ich sollte zu einer bestimmten Telefonzelle gehen, es klang alles ziemlich konspirativ". Dort klingelte es dann auch tatsächlich und dem jungen Rechtsextremen war sofort klar, wer am anderen Ende der Leitung hing - einer der beiden Männer aus dem Terror-Trio, das sich später "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) nennen sollte.

Das Telefonat habe irgendwann 1999 oder 2000 stattgefunden, genau erinnert sich der 36-jährige nicht mehr. Aber natürlich sei ihm klar gewesen, dass Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Z. zu diesem Zeitpunkt schon auf der Flucht vor der Polizei in die Illegalität untergetaucht waren - "das wussten doch alle in der Szene". So waren auch die Unterstützungsaktionen für das Trio damals kein Geheimnis. Offen wurde auf Konzerten rechtsgerichteter Musik-Gruppen in Jena, Rudolstadt oder andernorts Geld gesammelt für die Untergetauchten und über einen Boten zu ihnen transferiert. Einmal habe es Schwierigkeiten gegeben dabei, sagt der Mann, der seinen Namen nicht genannt wissen will. Dies sei der Grund für den Anruf gewesen: "Die drei wollten wissen, wohin die Gelder verschwunden sind".

Es waren mehrere Tausend Euro, die nach der Erinnerung von Insidern in der Szene für das Trio gesammelt wurden. Zu den Spendern gehörte auch Tino B., der einst Chef der rechtsextremen Gruppierung "Thüringer Heimatschutz" war und zugleich als V-Mann für den Verfassungsschutz arbeitete. Seine Berichte erstattete der etwas rundliche, kleine Mann, der damals eine stramme Hitlerjugend-Frisur trug, zwar immer nur mündlich. Doch sie wurden bestens bezahlt: In der Zeit zwischen 1994 und 2001 erhielt Tino B. etwa 200.000 DM vom Thüringer Geheimdienst, wie er selbst bestätigt. Er habe das Geld stets "in die Bewegung" gesteckt, beteuert er. Über seine Spenden für das Trio im Untergrund aber gelangte indirekt ein Teil der "Staatsknete" in die Hände der Terroristen. Der Verfassungsschutz erfuhr davon nichts.

Es waren "schon aufregende Zeiten", erinnert sich Tino B. an jene Jahre Mitte der neunziger Jahre, als sich in Süd-Ost-Thüringen immer mehr Rechtsextreme zu Kampfgruppen zusammenschlossen. Anfangs traf man sich zum Stammtisch in der Gaststätte "Zum Goldenen Löwen" in der Nähe von Rudolstadt, später zog man in eine eigens gemietete Kneipe um - "es kamen ja jeweils an die 150 Leute zu einem Termin". Aus Jena sei zunächst nur ein gewisser André K. erschienen, später seien auch Böhnhardt, Mundlos und Z. häufiger gekommen sowie der Informatiker Ralf W. Zur Gruppe gehörte noch Holger G., der vergangene Woche verhaftet wurde. Die sechs hatten einen eigenen rechtsradikalen Club gegründet, die "Kameradschaft Jena".

Ralf W., heute 36 Jahre alt, avancierte später zum stellvertretenden NPD- Landesvorsitzenden und Pressesprecher der Partei in Thüringen, zeitweise war er auch gewählter Ortschaftsrat in der Jenaer Plattenbausiedlung Winzerla. Zusammen mit André K. erwarb er vor Jahren eine Gaststätte im Jenaer Stadtteil Altlobeda, die als "Braunes Haus" das Zentrum der Rechtsextremen in Jena wurde.

Um diese Zeit waren Mundlos, Böhnhard und Z. längst im Untergrund, Holger G. wohnte in die Nähe von Hannover. In der Szene sei man davon ausgegangen, dass er weiter Kontakt hielt mit den drei Untergetauchten, meint Tino B. Heute glauben die Ermittler, dass Holger G. die Wohnmobile anmietete oder zumindest seine Papiere dafür hergab. Auch André K. soll noch später Kontakte zu dem Trio gepflegt haben - als Geldbriefträger, wie Szene-Insider behaupten. Mittlerweile haben die Ermittler sowohl André K. als auch Ralf W. im Visier. Vergangenen Donnerstag sollen die beiden Männer vernommen worden sein.

Hilfe bei Pink-Panther Videos

Auch in Sachsen gehen die Fahnder inzwischen davon aus, dass der Kreis der Unterstützer größer war, als zunächst angenommen. In Verdacht geraten ist etwa die Friseurin Mandy S., die in Schwarzenberg im Erzgebirge wohnt. Beate Z. hatte zeitweise Papiere auf ihren Namen benutzt. Tatsächlich sehen sich die beiden dunkelhaarigen Frauen wohl auch einigermaßen ähnlich. Die Friseuse soll einer rechtsextremen Gruppierung mit Namen "Brigade Ost" angehört haben. Diese frequentierte zeitweise offenbar auch Matthias D., auf dessen Namen die Wohnung in der Zwickauer Frühlingstraße angemietet worden war.

Der LKW-Fahrer aus Johanngeorgenstadt hatte sich am Tag nach der Hausexplosion in Zwickau den Behörden gestellt und dabei Speichelproben abgegeben. Daraufhin wurde Matthias D. wieder in die Freiheit entlassen. Ob der Mann vor Jahren, wie nun behauptet wird, mit dem Eigentümer der Zwickauer Wohnung über den Einbau einer Stahltür und einer Schallschutzdecke verhandelt hat, ist unklar - den Erklärungen seines Anwalts zufolge wurde nur sein Name benutzt. Unterdessen sollen auch der Johanngeorgenstädter André E. und seine Frau vernommen worden sein. Das Ehepaar wird verdächtigt, an der Herstellung des grausamen Pink-Panther-Videos mitgewirkt zu haben. Derweil hatte der ehemalige NPD-Landtagsabgeordnete Peter Klose, der heute als Parteiloser im Zwickauer Stadtrat sitzt, sich in seinem Facebook-Auftritt das Pseudonym Paul Panther gegeben. Auf die Frage, ob er die drei aus der Frühlingsstraße kannte, sagt Klose nur: "Kein Kommentar."

© SZ vom 19.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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