Unruhen in Iran:Die Hoffnung schwindet

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Die Front der Opposition scheint zu bröckeln: Während Präsidentschaftskandidat Mir Hussein Mussawi einen Bericht zu mutmaßlichen Betrugsfällen bei der Wahl vorlegt, zieht ein anderer Oppositioneller seine Beschwerde zurück.

Die Opposition ist nicht mehr geeint. Während die Präsidentschaftskandidaten Mir Hussein Mussawi und Mehdi Karrubi an ihrer Kritik an der Regierung Irans festhalten, hat Mohsen Resai seine Beschwerde gegen die Wahlergebnisse zurückgezogen.

Polizisten stehen vor der britischen Botschaft in Teheran. (Foto: Foto: AFP)

Angesichts der kritischen Lage im Land, so Resai in einem Brief an den Wächterrat, könne er als "selbstloser Soldat der Islamischen Republik" seinen Standpunkt nicht aufrechterhalten. Die Situation unter Kontrolle zu bringen sei wichtiger als Wahlergebnisse.

In einem von der amtlichen Nachrichtenagentur Irna zitierten Schreiben bedauerte der konservative Kandidat des Weiteren, dass dem Gremium trotz eines fünftägigen Aufschubs ohnehin zu wenig Zeit bliebe, um die gemeldeten Fälle von Unregelmäßigkeiten zu prüfen.

Der Wächterrat hatte am Dienstag die von der Opposition geforderte Annullierung der Wahl kategorisch abgelehnt. Gleichzeitig verschob er die Verkündung des Wahlergebnisses um fünf Tage, um Beschwerden über den Verlauf zu prüfen.

Irans Oppositionschef Mir Hussein Mussawi hat unterdessen wie angekündigt einen Bericht zu mutmaßlichen Betrugsfällen bei der Präsidentenwahl vorgelegt. In dem auf seiner Website vorgestellten dreiseitigen Bericht bezweifelt Mussawis "Komitee zum Schutz der Wählerstimmen" unter anderem, dass die Wahlurnen zu Wahlbeginn tatsächlich leer waren.

Auch hätten die Wahlzettel keine Seriennummer gehabt, was es so in Iran noch nie gegeben habe. Die Organisatoren der Wahl seien zudem aus den Reihen der Anhänger des umstrittenen Wahlsiegers, Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad, rekrutiert worden. Außerdem seien die Vertreter der Präsidentschaftskandidaten daran gehindert worden, die Vorgänge in den Wahllokalen zu überwachen.

Die Mitstreiter des unterlegenen Präsidentschaftskandidaten bemängeln auch, dass das Mobiltelefonnetz blockiert gewesen sei, so dass die Mussawi-Mitarbeiter keine SMS über Unregelmäßigkeiten an ihre Wahlkampfzentrale hätten schicken können. Insgesamt habe sich die Regierung in Teheran einer ganzen Reihe von Methoden bedient, um ihren Wunschkandidaten Ahmadinedschad zu bevorzugen, heißt es weiter.

Unterdessen wurde bekannt, dass die Machthaber den Druck auf Mussawi weiter erhöht haben. Rund 25 Mitarbeiter seiner Zeitung Kalemeh Sabs (Grünes Wort) wurden am Montag festgenommen, wie ein Mitglied der Chefredaktion des Blattes am Mittwoch sagte. "Fünf oder sechs Mitarbeiter aus der Verwaltung, der Rest sind Journalisten", sagte Aliresa Beheschti. Sie seien alle ohne Haftbefehl mitgenommen worden. Fünf Frauen unter den Festgenommenen seien am Dienstagabend jedoch wieder freigelassen worden. Die Zeitung war bereits am Tag nach den umstrittenen Wahlen im Iran Mitte Juni von den Behörden verboten worden.

Neben Mussawi übte auch Präsidentschaftskandidat Mehdi Karrubi scharfe Kritik - und hatte es dabei auf die staatlich kontrollierten Medien und die Unterstützer von Präsident Ahmadinedschad abgesehen. In einem Brief rügte Karrubi die Medien dafür, die Schuld an der Gewalt auf Irans Straßen allein auf die Demonstranten zu schieben.

"Die Übergriffe, Schläge und Morde an unschuldigen Menschen wurden von Sicherheitsbeamten begangen - und nicht von Demonstranten, wie die iranischen Medien den Leuten glauben machen wollen", schrieb Karrubi. Untersützer von Ahmadinedschad seien Verfechter eines fanatischen und Taliban-ähnlichen Islam.

Ahmadinedschad hatte sich in der ersten Runde mit 63 Prozent der Stimmen gegen seine drei Mitbewerber durchgesetzt. Mussawis Komitee forderte eine "Wahrheitskommission", die den Wahlvorgang überprüfen soll. Der Wächterrat hatte zuvor kategorisch erklärt, die Wahl werde nicht annulliert, weil es keine größeren Unregelmäßigkeiten gegeben habe.

Der neue Präsident und die Regierung sollten zwischen dem 26. Juli und dem 19. August vereidigt werden. Zugleich beantragte der Wächterrat beim obersten geistlichen Führer des Landes, Ayatollah Ali Chamenei, eine verlängerte Frist zur Überprüfung der Klagen über den Wahlverlauf. Die Frist, die ursprünglich Mittwoch ablaufen sollte, wurde danach um fünf Tage verlängert.

Unterdessen verschärfte sich der diplomatische Konflikt zwischen der Regierung in Teheran und dem Westen.

Wie der britische Premierminister Gordon Brown in London erklärte, wurden zwei iranische Diplomaten des Landes verwiesen, nachdem Teheran zuvor zwei britische Vertreter ausgewiesen habe. Die von Teheran erhobenen Vorwürfe seien "ohne jegliche Grundlage". Iran wirft London vor, sich vor allem über das persische Programm des Rundfunksenders BBC in die inneren Angelegenheiten des Landes einzumischen. "Ich bin enttäuscht, dass uns der Iran in diese Position gebracht hat", sagte Brown. Großbritannien strebe aber weiter gute Beziehungen an.

Das französische Außenministerium bestellte am Dienstag den iranischen Botschafter in Paris ein, um die "ernste Sorge" Frankreichs über die Entwicklungen zum Ausdruck zu bringen.

Das iranische Innenministerium warf Oppositionsführer Mir Hussein Mussawi, der bei den umstrittenen Wahlen Ahmadinedschad nach offiziellen Angaben klar unterlegen war, unterdessen vor, den Wählerwillen nicht zu akzeptieren. "Wenn er gewonnen hätte, wären die Wahlen gut gewesen. Verliert er, sollen die Wahlen schlecht sein", hieß es nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Irna in der Erklärung des Ministeriums. Zugleich wurden mehrere Beschwerden Mussawis gegen die Präsidentenwahl abgewiesen.

Staatliche Sender: Neda-Video gefälscht

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verlangte ein Ende der Gewalt in Iran. In einer Erklärung forderte er die Regierung in Teheran auf, sofort die Verhaftungen, Drohungen und die Anwendung von Gewalt zu stoppen. Er sei bestürzt über die Ereignisse. Das gelte vor allem für das staatliche Vorgehen gegen Zivilisten. Das iranische Außenministerium wies die Erklärung Bans als Einmischung in die inneren Angelegenheiten zurück.

Bei den Massenprotesten der vergangenen Tage waren auf den Straßen Teherans mindestens zehn Menschen ums Leben gekommen, darunter nach unbestätigten Berichten die junge Neda Agha-Soltan, die inzwischen zur Ikone des Widerstands wurde. Staatliche iranische Sender berichteten am Dienstag, das Video, das ihren Tod zeige, sei "gefälscht". Der Sender Khabar berichtete, es sei offensichtlich, dass diejenigen, die die Aufnahmen machten, auf etwas gewartet hätten und das Ganze dann aus mehreren Winkeln gefilmt hätten.

Die iranischen Behörden gehen auch weiter gegen ausländische Journalisten vor. Der Korrespondent der Washington Times in Iran sei festgenommen worden, berichtete die Agentur Fars. Zuvor war bereits ein Reporter des US-Magazins Newsweek festgenommen worden, ein Korrespondent der BBC war des Landes verwiesen worden. Nach Angaben der Organisation Reporter ohne Grenzen wurden Dutzende iranische Journalisten festgenommen.

© AFP/dpa/Reuters/gba - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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