Umweltschutz in Deutschland:Europa stinkt es

Lesezeit: 3 min

  • Deutschland hinkt beim Umweltschutz immer öfter hinterher.
  • Das Land verfehlt seine Klimaziele und reißt bei Schadstoffen immer wieder einmal EU-Grenzwerte.
  • Ein Überblick für die Themen Infrastruktur, Dieselabgase, Grundwasser und Massentierhaltung.

Von Moritz Geier, München

"Vorreiter waren wir mal, über viele Jahre", hat Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) kürzlich der Süddeutschen Zeitung gesagt. Es klang beinahe wehmütig, ein bisschen so, als nähme sie Abschied von einer Rolle, in die Deutschland vor allem geschlüpft war, weil es den Ausbau erneuerbarer Energien so druckvoll vorangetrieben hatte. Mittlerweile aber ist es fast schon zur Gewohnheit geworden, dass das Land seine Klimaziele verfehlt oder bei Schadstoffen wieder einmal EU-Grenzwerte reißt. Deutschland hinkt beim Umweltschutz hinterher - und immer öfter gibt es Post aus Brüssel.

Infrastruktur

Anfang Juni dieses Jahres erhielt Deutschland, wie Belgien und Luxemburg auch, ein Mahnschreiben der EU. Die Kommission rügte, Deutschland habe die europäische Richtlinie zum Aufbau von Elektro-, Gas- und Wasserstofftankstellen rechtlich nur unzureichend umgesetzt. Die Frist dafür war am 18. November 2016 abgelaufen. Brüssel gab Deutschland zwei Monate Zeit, um nachzubessern. Aus dem Verkehrsministerium heißt es, die Bundesregierung arbeite intensiv an der rechtlichen Umsetzung der offenen Punkte. Das Ziel des Aufbaus der Infrastruktur sei nicht gefährdet.

Europäischer Gerichtshof
:EuGH verurteilt Deutschland wegen zu viel Nitrat im Grundwasser

Die Bundesregierung habe zu wenig dagegen unternommen. Ein Übermaß an Nitraten, die meist aus Düngern der Landwirtschaft stammen, gefährdet Umwelt und Gesundheit.

Die EU-Vorschrift soll die Infrastruktur für Fahrzeuge mit alternativen Kraftstoffen verbessern. Sie sollen EU-weit ohne Probleme aufgetankt werden können.

Elektroschrott

Hintendran ist Deutschland auch beim Einsammeln alter Elektrogeräte. Offenbar wird ein Großteil hierzulande illegal entsorgt oder ins Ausland gebracht. Die ordentliche Entsorgung von Altgeräten aber ist von Bedeutung, weil Elektroschrott häufig mit Schadstoffen belastet ist.

Dem Bundesumweltministerium zufolge wurden 2016 in Deutschland 782 214 Tonnen Elektroaltgeräte gesammelt. Laut der Umweltschutzorganisation Deutsche Umwelthilfe (DUH) beläuft sich die Gesamtsammelquote auf 44,95 Prozent. Deutschland verfehlt damit knapp das europäische Mindestziel von 45 Prozent für das Jahr 2016, das in der EU-Richtlinie 2012/19/EU festgelegt ist.

"Der Bundesregierung sind die EU-Mindestvorgaben offensichtlich egal", kritisiert DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Seit 2016 sind Elektrohändler ab einer Verkaufsfläche von 400 Quadratmetern verpflichtet, alte Geräte zurückzunehmen. Die DUH fordert, dass mehr Händler mehr Geräte zurücknehmen müssen. Testbesuche hätten gezeigt, dass sich viele Händler nicht an die Rücknahmepflichten hielten. Laut Umweltministerium sollen die bestehenden Regelungen noch in diesem Jahr evaluiert werden. Verbraucher sollen zudem besser über Entsorgungswege informiert werden, etwa mit einem neuen einheitlichen Logo an Sammelstellen. Das EU-Ziel für 2019 allerdings dürfte eine Herausforderung werden, dann müssen der Richtlinie zufolge 65 Prozent des Elektroschrotts gesammelt werden. Nach Einschätzung der DUH wird Deutschland diese Marke deutlich verfehlen, wenn die Bundesregierung zuvor nicht eingreift. Dann droht ein EU-Vertragsverletzungsverfahren. Sollte Brüssel dieses nicht von sich aus einleiten, will die DUH bei der EU Beschwerde einlegen.

Dieselabgase

Hier hat die EU bereits die ultimative Maßnahme ergriffen: Im Mai verklagte die Kommission Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), weil die Bundesregierung das Problem mit der schlechten Luft seit Jahren nicht in den Griff bekommt. In 65 deutschen Städten wurde laut Umweltbundesamt 2017 der europaweit geltende Grenzwert für Stickstoffdioxid überschritten. Svenja Schulze fordert deshalb technische Nachrüstungen für Diesel-Pkw. Dies aber verweigert das Bundesverkehrsministerium. Dem Umweltministerium zufolge würde sich der Stickstoffausstoß von Dieselfahrzeugen durch Nachrüstungen um 70 Prozent verringern. "Wir brauchen sie jetzt so schnell wie möglich, und zwar auf Kosten der Automobilhersteller. Denn die haben das Problem verursacht", sagte sie direkt nach der Klage. Erreicht hat sie seitdem: nichts.

Die Klage der EU-Kommission ist die letzte Phase eines Vertragsverletzungsverfahrens. Bei einer Niederlage vor dem EuGH drohen Deutschland hohe Zwangsgelder. Verbessert sich die Luft nicht, kann es auch zu Fahrverboten kommen. Das Bundesverwaltungsgericht hatte sie im Februar in Städten grundsätzlich erlaubt.

Grundwasser

Deutschland verstößt gegen EU-Recht - so lautete das Urteil, das der EuGH im Juni wegen einer weiteren Vertragsverletzung durch Deutschland fällte. 2016 hatte die Kommission Deutschland verklagt, weil das Grundwasser in mehreren Regionen zu stark mit Nitrat belastet ist. Der Grund dafür ist vor allem, dass die Landwirtschaft Felder überdüngt. Verbessert sich die Lage nicht, kann die EU-Kommission nun Strafzahlungen fordern.

Die Bundesregierung hatte bereits 2017 reagiert und ein neues Düngegesetz verabschiedet. Dessen Wirkung aber ist umstritten: Experten bezweifeln, dass die neuen Regeln ausreichen, um das Problem zu lösen. Vorerst muss nun abgewartet werden, wie sich die Nitratwerte entwickeln.

Massentierhaltung

Und noch ein überschrittener Grenzwert: 2016 sind in Deutschland laut Bundesagrarministerium 662 000 Tonnen Ammoniak ausgestoßen worden, zu viel für die EU. Das Gas gelangt vor allem durch die Landwirtschaft aus Ställen und aus ausgebrachter Gülle in die Umwelt.

Brüssel verlangt, dass alle EU-Länder bis 2030 den Ausstoß von Ammoniak im Vergleich zum Jahr 2005 um 29 Prozent reduzieren. Zudem muss die Bundesregierung bis zum 1. April 2019 ein nationales Luftreinhalteprogramm erstellen, um die EU-Ziele zu erfüllen. Welche Maßnahmen darin ergriffen werden, will die Bundesregierung zusammen mit den Bundesländern und den beteiligten Kreisen noch in diesem Jahr verhandeln.

© SZ vom 09.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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