Umsturz in Libyen:Gaddafis Sprecher nahe Sirte gefasst

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Es wird einsam um den gestürzten libyschen Despoten: Kämpfer des nationalen Übergangsrats vermelden, sie hätten Gaddafis Sprecher nahe Sirte aufgegriffen. Mussa Ibrahim soll angeblich versucht haben, in Frauenkleidung zu fliehen.

Die Truppen des libyschen Übergangsrates haben in der schwer umkämpften Stadt Sirte angeblich Mussa Ibrahim, den Regierungssprecher von Muammar al-Gaddafi, gefangen genommen. Dies teilte ein Kommandeur des Nationalen Übergangsrats der Nachrichtenagentur AFP mit.

Verbreitete in den vergangenen Wochen immer wieder Botschaften des gestürzten libyschen Despoten: Mussa Ibrahim, Gaddafis Regierungssprecher. (Foto: AP)

Der Fernsehsender der Aufständischen von Misrata, Freedom TV, berichtete, Ibrahim sei in der Nacht geschnappt worden, als er versucht habe, zusammen mit einer Gruppe von Zivilisten die Stadt zu verlassen. Ibrahim soll dem Bericht zufolge Frauenkleider getragen haben und sei verschleiert gewesen. Dies wollte der Kommandeur der neuen Führung nicht bestätigen.

Seit dem Abtauchen Gaddafis ist Ibrahim zum Gesicht des gestürzten Regimes geworden. Der Sprecher des Despoten betrieb einen eigenen Youtube-Kanal und wandte sich immer wieder mit Botschaften Gaddafis an dessen verbliebene Anhänger. Gaddafi befinde sich bei "guter Gesundheit und Verfassung", teilte Ibrahim in den vergangenen Wochen regelmäßig mit. Und "natürlich" sei er noch in Libyen, erklärte Ibrahim - um so Spekulationen entgegenzutreten, Gaddafi sei außer Landes geflohen. Außerdem versicherte Ibrahim gerne, der ehemalige Machthaber sei nach wie vor sehr mächtig, seine Armee sei nach wie vor schlagkräftig.

Gaddafi selbst bleibt verschwunden. Die Spezialeinheit, die der Nationale Übergangsrat mit der Jagd auf den gestürzten Machthaber beauftragt hat, vermutet Gaddaf in einem Wüstengebiet nahe der algerischen Grenze vermutet. Ein Militärsprecher teilte mit, Gaddafi werde womöglich in dem riesigen Gebiet von befreundetn Tuareg-Kämpfern geschützt. Zwei Söhne Gaddafis werden noch in den umkämpften Städten Bani Walid und Sirte aufhalten.

Bislang gibt es für die Festnahme keine unabhängige Bestätigung. Der Sender kündigte an, er wolle demnächst Bilder von der Gefangennahme zeigen. Die Truppen der neuen libyschen Machthaber hatten bereits einmal fälschlicherweise berichtet, Ibrahim sei bei einem Angriff östlich von Tripolis getötet worden. Kurz darauf mussten sie sich korrigieren und meldeten, ein Bruder des Sprechers sei verwundet in ein Krankenhaus gebracht worden.

Kämpfer besetzen Flughafen in Sirte

Die Truppen der libyschen Übergangsregierung haben inzwischen nach Angaben eines Reporters der Nachrichtenagentur Reuters den Flughafen von Gaddafis Geburtsstadt Sirte erobert. Sirte gilt neben Bani Walid als eine der letzten verbliebenen Hochburgen des gestürzten Machthabers.

Seit einer Woche versuchten die Kämpfer der neuen Regierung Sirte einzunehmen, waren zunächst aber mit zwei Großangriffen gescheitert. Scharfschützen und Artilleristen des gestürzten Machthabers hielten sie auf Abstand.

Um die verwundeten Soldaten aus Sirte zu evakuieren, fehlt es der Übergangsregierung an Treibstoff für Rettungsfahrzeuge. Nach Angaben eines UN-Vertreters haben die Truppen deswegen die Vereinten Nationen um Hilfe gebeten.

Die Staatengemeinschaft habe Lastwagen mit Trinkwasser für die Flüchtlinge aus Sirte losgeschickt, die sich täglich zu Tausenden entweder in Richtung Benghasi oder Misrata aufmachten. Die anhaltenden Kämpfe um Sirte und Bani Walid machten es derzeit noch unmöglich, Hilfskräfte in die Städte zu entsenden, erklärte der Vertreter weiter.

In Lyon stellte die internationale Polizeiorganisation Interpol im Namen Libyens einen Eilantrag auf Auslieferung des zweiten Gaddafi-Sohnes, Saadi Gaddafi. Er war vor drei Wochen nach Niger geflohen. Der Nationale Übergangsrat beschuldigt den Sohn des ehemaligen Machthabers, für Militärschläge gegen die Proteste verantwortlich zu sein. Interpol hat bereits sogenannte "red notices", vergleichbar mit internationalen Haftbefehlen, gegen Gaddafi selbst, seinen Sohn Saif Al-Islam und den ehemaligen Geheimdienstchef Abdulla Al-Senussi verhängt. Deren Verbleib ist immer noch unklar. .

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