Ukraine-Konflikt:Regierung in Kiew will mit Separatisten verhandeln

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Pro-russische Separatisten in der osukrainischen Stadt Donezk. (Foto: REUTERS)

Neuer Versuch zur Entschärfung des bewaffneten Konflikts in der Ukraine: Erste Gespräche zwischen der ukrainischen Regierung und den prorussischen Separatisten stehen unmittelbar zuvor. Zunächst sollen die Verhandlungen per Videokonferenz staffinden. Erneut sterben Zivilisten bei Gefechten.

  • Die ukrainische Führung will Gespräche mit den Separatisten aufnehmen.
  • Der Dialog erfolgt zunächste mithilfe einer "Kontaktgruppe" - sowie per Videoschalte aus sicherer Entfernung.
  • Im Osten des Landes wird indes weiter schwer gekämpft: mindestens acht Menschen sterben.

Kiew vor Gesprächen mit den Separatisten

Im blutigen Ukraine-Konflikt will die Führung in Kiew am Dienstag Gespräche mit den Separatisten aufnehmen. Vorerst allerdings soll der Dialog über eine Videokonferenz der "Kontaktgruppe" aus Russland, der Ukraine, und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zustandekommen, wie Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier am Montag am Rande seiner Nahost-Reise in Jordanien mitteilte. "Unmittelbar danach" soll es an einem noch nicht genannten Ort auch ein direktes Treffen geben.

Vor diesen Gesprächen stimmte sich der ukrainische Präsident Petro Poroschenko am Montagabend mit Kanzlerin Angela Merkel ab. Bei ihrem Telefonat bekräftigte Poroschenko die Absicht, an der Videokonferenz teilzunehmen, verlautete aus dem Präsidium in Kiew.

Ziel sei ein "tragfähiger, beidseitiger Waffenstillstand"

Zudem sei die Stationierung von OSZE-Beobachtern entlang der ukrainisch- russischen Grenze sowie der mögliche Einsatz von Drohnen zur Überwachung erörtert worden. Die Vereinbarung für die Gespräche stützt sich nach Steinmeiers Angaben auf eine einstündige Telefon-Konferenz, an der auch die Außenminister aus Frankreich und der Ukraine, Laurent Fabius und Pawel Klimkin, sowie der Leiter der russischen Präsidialverwaltung, Sergej Iwanow, teilnahmen. Als Ziel wurde von allen Beteiligten in einer schriftlichen Erklärung ein "tragfähiger, beidseitiger Waffenstillstand" genannt. Die russische Seite sagte zu, ihren Einfluss auf die Separatisten geltend zu machen.

Wieder sterben Zivilisten

Bei erneuten schweren Kämpfen in der Ostukraine sind den Behörden zufolge mindestens zwölf Zivilisten getötet worden, darunter ein Kind. In Lugansk seien Einwohner bei massiven Gefechten von Regierungseinheiten und prorussischen Separatisten in die Schusslinie geraten, teilte die Stadtverwaltung am Dienstag mit. Zudem seien mehr als 50 Zivilisten verletzt worden. In Donezk starben bei einem Luftangriff der Armee mindestens vier Zivilisten. Vier weitere Menschen wurden in der Millionenmetropole verwundet. Die Aufständischen sprachen von zehn weiteren Toten in einer Kleinstadt.

Verschärfung des Konflikts durch Abschuss von Militärjet

Die Spannungen zwischen Kiew und Moskau hatten sich verschärft, nachdem eine Granate am Sonntag einen Menschen in einer russischen Grenzstadt getötet und die Separatisten am Montag ein Militärflugzeug abgeschossen hatten.

Der ukrainische Verteidigungsminister Waleri Geletej machte Moskau indirekt mitverantwortlich für den Abschuss der Antonow An-26. "Die Maschine wurde von einer starken Rakete getroffen, die wahrscheinlich von russischem Territorium aus abgefeuert wurde." Das Flugzeug sei in 6500 Meter Höhe geflogen, was zu hoch sei für Waffen der Aufständischen.

Moskau kommentierte die Vorwürfe zunächst nicht. Zwei Besatzungsmitglieder, die sich mit Fallschirmen gerettet hatten, wurden nach einem Bericht der Agentur Interfax von den Separatisten gefangen genommen.

Nato: Mehr als 10 000 russische Soldaten an Grenze stationiert

Nach den Verlusten im Kampf gegen die Aufständischen kündigte Präsident Petro Poroschenko eine massive Aufrüstung der Armee an. In den vergangenen drei Tagen seien neue russische Raketensysteme gegen Regierungseinheiten eingesetzt worden, sagte er in Kiew bei einer Krisensitzung des Sicherheitsrats. Zudem gebe es "Beweise", dass Offiziere der russischen Armee auf Seiten der Aufständischen in der Ostukraine kämpfen würden. "Darauf müssen wir reagieren."

Der Separatistenanführer Andrej Purgin wies Berichte über eine Versorgung der Aufständischen mit russischem Kriegsgerät zurück. Sämtliche Waffen, darunter auch schwere Raketenwerfer, hätten die militanten Gruppen aus Arsenalen der ukrainischen Armee erbeutet, sagte Purgin in Donezk. Die Führung in Kiew und der Westen werfen Russland vor, das Einsickern von Waffen und Kämpfern über die ukrainische Grenze nicht zu verhindern. Moskau weist dies zurück.

Russland hat nach Nato-Angaben die Präsenz von Truppen im Grenzgebiet zur Ukraine zuletzt wieder deutlich erhöht. "Derzeit schätzen wir, dass zwischen 10 000 und 12 000 russische Truppen im Grenzgebiet sind", sagte ein Nato-Beamter in Brüssel. Mitte Juni habe die Zahl weniger als 1000 betragen, "aber seither haben die Russen ihre Truppen entlang der ukrainischen Grenze wieder verstärkt".

© Süddeutsche.de/dpa/afp/dgr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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