Wochen, bevor Anis Amri im fernen Berlin einen Lkw in eine Mordwaffe verwandelte, sprach der tunesische Präsident Béji Caïd Essebsi ebenso wahre wie ehrliche Worte: "Wir können keinem Tunesier die Heimkehr verbieten", sagte er im Hinblick auf die jungen Männer aus seinem Land, die für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und andere Gruppen morden. "Wir können sie aber auch nicht alle einsperren. So viele Gefängnisse hat Tunesien nicht."
Die Frage, wie sie mit radikalisierten Rückkehrern umgehen sollen, bewegt die elf Millionen Tunesier schon lange - 800 Kämpfer kehrten bereits aus dem Herrschaftsbereich des IS zurück in den Maghrebstaat. Mit jeder Schlacht, die die Dschihadisten verlieren, werden sich weitere absetzen. Hinzu kommen vielleicht bald chancenlose Asylbewerber wie Amri, die sich in Europa radikalisiert haben.
Seit der Revolution 2011 haben mehrere Regierungen versucht, Programme zur Deradikalisierung auf den Weg zu bringen. Keines wurde bisher umgesetzt. So reagieren Tunesiens Sicherheitsbehörden weiter mit dem Reflex, der sie beim Anblick von Bärtigen schon vor der Revolution überkam: Sie setzen auf äußerste Härte. Im Umgang mit ideologisch verblendeten Mördern ist Repression natürlich auch nötig. Wer aber nicht Tausende junge Männer für den Rest ihres Lebens wegsperren will, sollte sich auch Gedanken über deren Integration machen.