Tunesien:Druck lass nach

Die Kritik an der Rücknahme-Politik Tunesiens ist verlogen.

Von Moritz Baumstieger

Bevor die Kanzlerin Tunesiens Premier Youssef Chahed empfing, verlangte sie eine schnellere Rücknahme abgelehnter Asylbewerber. Und dachte laut darüber nach, von Tunesien die Kasernierung der Flüchtlinge aus Drittstaaten in Auffanglagern zu fordern. Wie man das Mutterland des Arabischen Frühlings dazu bewegen könnte, ließen mehrere Minister durchblicken: weniger Unterstützung, Kürzung der Entwicklungshilfe.

Das sind Sätze, die im von Terror- und Asyldebatte verunsicherten Deutschland gut ankommen. Die Stimmung gegenüber Gefährdern ist eindeutig. Beamte aus Nordafrika gelten als faul und unwillig, sie verhindern angeblich die schnelle Abschiebung. Mit der Realität haben diese Urteile jedoch wenig zu tun. Gerade mal eine halbe Stunde hat Innenminister Thomas de Maizière vor einem Jahr gebraucht, um mit Tunesiens damaligen Premier eine Übereinkunft zu schließen. Seitdem läuft die Rücknahme meist zufriedenstellend.

Es wird nicht gutgehen, wenn Deutschland noch mehr Druck auf die fragile Demokratie aufbaut. Mehr Unterstützung, auch über Asyl- und Sicherheitsfragen hinaus, würde Tunesien hingegen wirklich helfen - und damit indirekt auch Deutschland. Das scheint nun auch die Kanzlerin verstanden zu haben: Nach ihrem Treffen mit Chahed war von den harschen Tönen trotz des beginnenden Wahlkampfes nichts mehr zu hören.

© SZ vom 15.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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