Türkei:Kölner Schriftsteller Doğan Akhanlı in Spanien festgenommen

Dogan Akhanli

Der Autor auf einer Veranstaltung im Rahmen des Literaturfestivals Lit.Cologne.

(Foto: Henning Kaiser/dpa)
  • Der türkischstämmige Kölner Schriftsteller Doğan Akhanlı wurde im spanischen Granada nach einer Ausweiskontrolle festgenommen.
  • Offenbar suchte die Türkei über Interpol wegen eines Strafverfahrens nach ihm. Was genau Akhanlı in der Türkei vorgeworfen wird, ist noch unklar.
  • Laut seinem Anwalt könnte es um Vorwürfe aus einem früheren Verfahren gehen, das vielen Beobachtern damals als politisch motiviert galt.

Von Julia Ley

Der türkischstämmige Kölner Schriftsteller Doğan Akhanlı ist am Samstagmorgen in Spanien festgenommen worden. Sein deutscher Anwalt Ilias Uyar teilte mit, dass Akhanlı in seinem Urlaubsdomizil in Granada verhaftet wurde.

Offenbar stellten Polizeibeamte der örtlichen Dienststelle bei einer Ausweiskontrolle fest, dass eine sogenannte "Red Notice" - ein Dringlichkeitsvermerk von Interpol - gegen seinen Mandanten vorläge, schrieb Uyar in einer Stellungnahme auf Facebook. Die sogenannte "rote Ausschreibung" wird von Interpol an die Mitgliedsstaaten verteilt, wenn ein Land einen Verdächtigen in einem anderen Land mit dem Ziel der Auslieferung festnehmen lassen will.

Uyar sagte der Süddeutschen Zeitung, er selbst sei von der Festnahme "vollkommen überrascht". Nichts habe zuvor daraufhin gedeutet. Was Akhanlı vorgeworfen wird, ist unklar.

Über eine mögliche Auslieferung des deutschen Staatsbürgers Akhanli muss nun die spanische Justiz entscheiden. Die deutsche Botschaft in Madrid bat die spanische Regierung, auf eine Auslieferung zu verzichten, wie am Abend aus Berlin verlautete. Diese Bitte sei im Auftrag von Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) vorgebracht worden. Inzwischen habe sich Gabriel selbst in den Fall eingeschaltet und mit seinem spanischen Amtskollegen Alfonso Dastis telefoniert, berichtete das ZDF in der Sendung Heute-Journal.

Schon länger liegt ein Interpol-Haftbefehl gegen Akhanlı vor

2010 gab es in der Türkei schon einmal ein Strafverfahren gegen den Autor, das vielen Beobachtern politisch motiviert schien. Im August 2010 wurde der Autor nach jahrelanger Abwesenheit bei der Einreise in Istanbul festgenommen. Die Staatsanwaltschaft warf dem Schriftsteller damals einen bewaffneten Raubüberfall im Jahr 1989 vor, mehr als zwanzig Jahre zuvor. Gleich zu Beginn des Verfahrens wurde Akhanlı wieder auf freien Fuß gesetzt, er kehrte nach Deutschland zurück. Ein Jahr später wurde er aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Zwei Zeugen hatten ihre belastenden Aussagen offenbar unter polizeilichem Druck gemacht und später wieder zurückgezogen. 2013 wurde der Freispruch überraschend wieder aufgehoben.

Aus dieser Zeit liege noch ein Interpol-Haftbefehl gegen seinen Mandaten vor, sagte Uyar der Süddeutschen Zeitung. Er könne sich vorstellen, dass dieser nun von den türkischen Behörden erneuert wurde. Bislang ist das allerdings nur eine Theorie. Für Sonntagmorgen sei in Spanien eine Anhörung geplant.

Auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck, Parteichef Cem Özdemir und der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz kritisierten das Verfahren als politisch motiviert. Das Auswärtige Amt müsse alles unternehmen, um eine Auslieferung an die Türkei zu verhindern und die sofortige Freilassung des Schriftstellers zu erwirken, sagte Beck. Schulz sprach von einem "ungeheuerlichen Vorgang" und erklärte das Verhalten des türkischen Präsidenten trage inzwischen "paranoide Züge".

"Ein sanfter Typ, der seiner Haltung mit der Macht der Worte Ausdruck verleiht"

Akhanlı wurde 1957 in der Türkei geboren. Nach dem Militärputsch 1980 ging er in den Untergrund. Er war zwei Jahre in einem Militärgefängnis inhaftiert, ehe er 1991 mit seiner Familie nach Deutschland fliehen konnte. Seit Mitte der 90er Jahre lebt Akhanlı als Schriftsteller in Köln. Sein literarisches Werk handelt vielfach von Heimatsuche, Verbrechen gegen die Menschenwürde und den Völkermorden des 20. Jahrhunderts. Mehrere seiner Werke thematisieren auch den Völkermord an den Armeniern und die Art, wie Informationen dazu in der Türkei unter Verschluss gehalten werden. 2001 erhielt der Autor die deutsche Staatsbürgerschaft.

Auch der türkischstämmige Publizist Eren Güvercin, der wie Akhanlı in Köln lebt und diesen seit 2011 kennt, hält das Festnahmeersuchen für politisch motiviert - zumal wenn sich herausstellen sollte, dass sich der Haftbefehl auf das alte Strafverfahren bezieht. Damals wurde Akhanlı unter anderem vorgeworfen, Unterstützer einer linksterroristischen Organisation zu sein. Akhanlı sei zwar Zeit seines Lebens politisch aktiv gewesen, "doch wer ihn kennt, der weiß, wie absurd der Terrorvorwurf ist", so Güvercin. Akhanlı beschreibt er als "sanften Typen, der eine künstlerische Ader hat, aber auch stets eine klare politische Meinung vertritt". Er sei ein Mann, "der mit der Macht des Wortes versucht, seinen Gedanken Ausdruck zu verleihen".

In einem Interview, das Güvercin 2011 mit Akhanlı zu dem Strafverfahren führte, vermutete letzterer "nationalistische Kreise" hinter dem Strafverfahren. Womöglich verübelten diese ihm seine Vergangenheit als linker Aktivist. 2011 war es ausgerechnet die noch vergleichsweise schwache AKP-Regierung, die sich für kritische Oppositionelle wie Akhanlı stark machte: Das Justizministerium legte Protest beim zuständigen Richter ein, erreichte aber nichts. Der Altlinke Akhanli lobte damals die Arbeit der islamisch geprägten AKP. Doch je autoritärer die Regierung Erdoğan vorging, desto kritischer wurde auch der im Kölner Exil lebende Schriftsteller.

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