Trotz Demonstrationsverbot in Iran:Teheran in Aufruhr

Lesezeit: 2 min

Die Lage ist aufs Äußerste gespannt: In Teheran trotzen mehr als eine Million Regierungsgegner dem Demonstrationsverbot. Oppositionsführer Mussawi hat sich dem Protestzug angeschlossen. Es fielen Schüsse. Ein Anhänger des Reformkandidaten wurde von iranischen Sicherheitskräften getötet.

Mehr als eine Million Anhänger des unterlegenen iranischen Präsidentschaftskandidaten Mir Hussein Mussawi haben in Teheran gegen Präsident Mahmud Ahmadinedschad protestiert, dem sie Wahlschwindel unterstellen.

Mir Hussein Mussawi inmitten Hunderttausender Anhänger, die sich im Zentrum Teherans versammelt haben, um gegen Präsident Mahmud Ahmadinedschad zu protestieren, dem sie Wahlbetrug unterstellen. (Foto: Foto: AFP)

Sie trotzten damit einem Verbot des Innenministeriums. Mussawi forderte Neuwahlen. Es kam zu schweren Zusammenstößen mit Parteigängern des Staatschefs. Es fielen Schüsse, mindestens ein Mensch wurde getötet. Der geistliche Führer Ali Chamenei kündigte eine Überprüfung des Wahlergebnisses an.

Auch international nahm die Kritik an der Regierung der Islamischen Republik zu. Die USA und die EU-Außenminister äußerten sich tief besorgt über die Ausschreitungen. Sie forderten eine Überprüfung der Wahl. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sprach sich dafür aus, den internationalen Druck auf die Regierung Irans aufrechtzuerhalten.

Dies habe zumindest dazu beigetragen, dass die religiöse Führung zugestimmt habe, die Vorwürfe der Wahlfälschung zu überprüfen, sagte er der Süddeutschen Zeitung. Steinmeier erneuerte seine Kritik am Vorgehen der Sicherheitsbehörden. "Die Brutalität, mit der da vorgegangen wird, ist nicht hinnehmbar." Das Auswärtige Amt bestellte deshalb Irans Botschafter ein.

In seinem ersten öffentlichen Auftritt seit der Wahl wandte sich Mussawi auf dem Asadi-Platz an die Menschenmenge, die sich über mehr als neun Kilometer erstreckte. Er forderte Neuwahlen. Der Protestzug blockierte die komplette Innenstadt. Die Demonstranten trugen grün, die Farbe Mussawis. "Mussawi, nimm unsere Stimmen", skandierten sie und kündigten tägliche Demonstrationen an, sollte Ahmadinedschad Präsident bleiben.

"Wir kämpfen, wir sterben, wir werden diese Wahlmanipulation nicht akzeptieren", schallte es aus der Menge. Zuvor hatte das Innenministerium die Kundgebung verboten. Mit vielen Sprechchören erinnerten die Demonstranten an die Revolution von 1979.

Auf dem Asadi-Platz wurden aus dem Gebäude einer Freiwilligenmiliz Schüsse auf die Demonstranten abgegeben, wie Zeugen berichteten. Mindestens ein Mensch wurde demnach getötet, mehrere wurden schwer verletzt. Die Polizei hielt sich zurück. Zeugen berichteten, wie Anhänger Ahmadinedschads von Motorrädern aus mit Stöcken auf ihre Gegner einschlugen.

Studenten erzählten, dass Kommilitonen von einer religiösen Miliz verschleppt worden seien. Es kam zu Zerstörungen, Brände wurden gelegt, eine Rauchwolke hing über der Innenstadt. Das Innenministerium erklärte, Mussawi werde für jede Gewalt verantwortlich gemacht. Der ehemalige Ministerpräsident hatte seine Anhänger zum friedlichen Protest aufgefordert.

Nach der Verkündung von Ahmadinedschads Sieg waren bereits am Wochenende Krawalle ausgebrochen. Laut Angaben der Opposition wurden dabei mehr als hundert Menschen festgenommen. Die Anhänger Mussawis wollen aus dem Innenministerium erfahren haben, dass Ahmadinedschad in Wirklichkeit eine katastrophale Niederlage erlitt. Nach ihren Zahlen stimmten 19 Millionen Iraner für Mussawi und nur fünf Millionen für den amtierenden Präsidenten.

Mussawi kündigte an, er wolle sich am Mausoleum des Staatsgründers Ayatollah Chomeini zu einem Dauerprotest niederlassen, falls seiner Beschwerde nicht stattgegeben werde. Da der religiöse Führer Chamenei das erste Wahlergebnis binnen Stunden bestätigt hatte, wird sein jetziges Entgegenkommen als Versuch gewertet, Zeit zu gewinnen und Spannung abzubauen. Dass der Wächterrat Mussawi recht gibt, gilt als unwahrscheinlich.

© SZ vom 16.06.2009/segi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Iran nach der Wahl
:Eskalation der Gewalt

Seit der Wiederwahl von Ahmadinedschad als Präsident Irans kommt es in Teheran und anderen Orten zu heftigen Ausschreitungen. Am Rande von Massenprotesten starben am Montag mindestens sieben Menschen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: