Viele Tote bei Unruhen in Syrien:Panzer rücken in Protesthochburg Hama ein

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"Es regnete Granaten": Sie gilt als Hochburg der Proteste gegen Präsident Assad, jetzt ist die Stadt Hama nach wochenlanger Belagerung im Morgengrauen von syrischen Panzereinheiten und Scharfschützen angegriffen worden. Mehr als 100 Menschen wurden dabei getötet, wie syrische Aktivisten in Internetforen berichten. EU und UN drohen unterdessen mit einer Verschärfung der Sanktionen gegen das Assad-Regime.

Starke syrische Armeeverbände sind am frühen Sonntagmorgen mit Panzern und Scharfschützen in die Stadt Hama eingerückt. Mehr als 100 Menschen wurden getötet, berichteten syrische Aktivisten in Internetforen. Außerdem habe es zahlreiche verletzte gegeben. Der Chef der in London ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Rahman, sprach von mindestens 45 Toten.

Ein Mann versucht, dem Kugelhagel zu entfliehen. In am Sonntag hochgeladenen Youtube-Videos sind drastische Szenen zu sehen, die sich angeblich in der syrischen Stadt Hama abspielen. Eine unabhängige Überprüfung der Angaben ist nicht möglich, da die syrische Regierung die meisten ausländischen Journalisten des Landes verwiesen hat. (Foto: Reuters)

Nach fast einmonatiger Belagerung seien die Panzer im Morgengrauen in die Stadt gerollt. Die Elektrizitäts- und Wasserversorgung sei von speziellen Armeekräften unterbrochen worden. Die Panzer hätten zahlreiche Barrikaden überrollt, die die Bewohner in den vergangenen Wochen errichtet hatten und in die Wohngebiete gefeuert..

Aus Hama, das als Protesthochburg gilt, hatten sich die Sicherheitskräfte von Präsident Baschar al-Assad vor mehreren Wochen völlig zurückgezogen. Seitdem fanden dort regelmäßig besonders stark besuchte Demonstrationen gegen das Assad-Regime statt.

"Es regnete Granaten über die Stadt, die Soldaten schossen auf alles, was sich bewegte", schilderte einer der Aktivisten die dramatische Lage. "Die Opferzahl steigt von Minute zu Minute." Die Truppen würden inzwischen das Krankenhaus umstellen und die Menschen daran hindern, ihre Verwundeten dorthin zu bringen.

"Panzer greifen aus vier Richtungen an", sagte ein Arzt, der aus Angst vor einer Festnahme seinen Namen nicht nennen wollte, der Nachrichtenagentur Reuters in einem Telefonat. Die Panzer feuerten wahllos um sich und überrollten provisorische Barrikaden, die von den Bewohnern errichtet worden seien. Im Hintergrund waren Maschinengewehr-Schüsse zu hören.

Der Arzt sprach von 19 Toten und mehr als 50 Verletzten allein in einem Krankenhaus. In anderen seien insgesamt fünf Tote und zahlreiche weitere Verletzte gezählt worden. Ein anderer Einwohner sagte, in den Straßen lägen Leichen. Scharfschützen hätten sich auf den Dächern der staatlichen Elektrizitätsgesellschaft und des Hauptgefängnisses postiert.

Aktivisten kündigen tägliche Proteste während des Ramadans an

Die Proteste gegen Assad, die es in Hama zuletzt mit am stärksten gegeben hatte, wurden im März durch die Revolutionen des sogenannten "Arabischen Frühlings" in Tunesien und Ägypten ausgelöst. Bereits im Jahre 1982 war die viertgrößte Stadt Syriens Schauplatz der grausamen Unterdrückung einer Islamistenrevolte durch Assads Vater Hafis gewesen. Dabei waren je nach Schätzung 10.000 bis 30.000 Bewohner getötet worden.

Nach Angaben einer Aktivisten-Gruppe kamen auch in der ostsyrischen Stadt Deir al-Sor sowie in der im Süden gelegenen Ortschaft Harak und in einem Vorort von Damaskus Panzer zum Einsatz. Insgesamt seien an diesem Sonntag in ganz Syrien 124 Menschen getötet worden, berichten die Aktivisten. Eine unabhängige Überprüfung der Angaben ist allerdings nicht möglich, da Syrien die meisten ausländischen Journalisten ausgewiesen hat.

Trotz seines immer wieder brutalen Vorgehens vermag das Regime in Damaskus die seit viereinhalb Monaten aktive Demokratiebewegung nicht zu unterdrücken. Nach dem Blutbad in Hama riefen syrische Aktivisten zu neuen landesweiten Demonstrationen auf. An diesem Montag beginnt in den meisten arabischen Ländern, so auch in Syrien, der Fastenmonat Ramadan. Syrische Aktivisten haben für den heiligen Monat tägliche Proteste gegen das Assad-Regime angekündigt.

Die EU plant angesichts des neuerlichen Blutvergießens, die Strafmaßnahmen gegen die syrische Führung erneut auszuweiten. Das sagte Bundesaußenminister Guido Westerwelle in Berlin. Bislang hat die EU 30 Vertreter des Regimes mit einem Einreiseverbot belegt, darunter Machthaber Baschar al-Assad selbst. Zudem wurden deren Vermögenswerte eingefroren.

Auch US-Präsident Obama und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon reagierten entsetzt auf den neuesten Gewaltausbruch in Syrien. "Die Berichte aus Hama sind schrecklich und zeigen den wahren Charakter des syrischen Regimes", so Obama. Der UN-Generalsekretär drohte dem Assad-Regime mit einer strafrechtlichen Verfolgung: "Die syrischen Behörden sind verantwortlich für ihr Handeln und können nach internationalem Recht für alle Gewaltakte gegen ihr Volk zur Rechenschaft gezogen werden", sagte Ban in New York.

© dpa/Reuters/AFP/gba - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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