Tod eines Staatsanwalts in Argentinien:Gericht veröffentlicht Nismans Anklage gegen Kirchner

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  • Der Oberste Gerichtshof hat die anklageschrift des verstorbenen Staatsanwalts Nisman öffentlich gemacht. Darin wirft er der argentinischen Präsidentin Vertuschung vor.
  • Iranische Drahtzieher eines Anschlags seien gezielt begünstigt worden, um die Beziehungen zum Iran zu verbessern.
  • Eine Obduktion Nismans hat bisher keine Klarheit gebracht: Der Staatsanwalt soll sich erschossen haben - entscheidende Spuren fehlen.

Kirchner als Teil eines "kriminellen Plans"

Nach dem mysteriösen Tod des Staatsanwaltes Alberto Nisman hat der Oberste Gerichtshof Argentiniens überraschend dessen Anklage gegen Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner publik gemacht ( der komplette Text). Darin wirft der Sonderermittler der Staatschefin sowie Außenminister Héctor Timerman und anderen vor, Teil eines "kriminellen Plans" gewesen zu sein.

Ihre Absicht sei es gewesen, den mutmaßlichen iranischen Drahtziehern eines Anschlages auf das jüdische Gemeindehaus Amia in Buenos Aires im Jahre 1994 Straffreiheit zu gewähren, heißt es in dem fast 300-seitigen Dokument. Die Entscheidung, die Iraner zu begünstigen, sei von Fernández de Kirchner getroffen und von Timerman arrangiert worden.

Sonderermittler Nisman hatte vergangene Woche seine Anklage präsentiert, wegen der gebotenen Vertraulichkeit aber nur Einzelheiten genannt. Motiv der "Verschwörung" sei gewesen, die Handelsbeziehungen zu Iran zu verbessern. Ranghohe Regierungsvertreter hatten dies als "Lüge" zurückgewiesen. Am Montag sollte sich Nisman vor dem Parlament äußern.

Keine Schmauchspuren an den Händen der Leiche von Nisman

Dazu kam es allerdings nicht, da Nisman am Sonntag tot in seiner Wohnung in Buenos Aires aufgefunden worden war. Eine Autopsie hat bisher keine Klarheit über die Umstände seines Todes gebracht. Der Sonderermittler starb demnach durch einen Kopfschuss. Hinweise auf Fremdeinwirkung habe die Untersuchung der Leiche nach Justizangaben zwar nicht ergeben, aber auch an seinen Händen hätten sich keine Schmauchspuren finden lassen. Die müsste es normalerweise geben, wenn sich jemand selbst erschießt. Die Justiz ermittelt nun auch wegen möglicher Anstiftung zur Selbsttötung durch Druck und Drohung.

Zehntausende demonstrieren für Aufklärung

Viele Argentinier zweifeln die Suizidtheorie allerdings an. Etwa 20 000 überwiegend regierungskritische Demonstranten forderten bei einer Kundgebung am Montag auf der Plaza de Mayo vor dem Präsidentenpalast in der Hauptstadt Buenos Aires die Aufklärung des Falls sowie ein Ende von Straflosigkeit und Korruption.

Viele hielten in Anlehnung an die Solidaritätsbekundungen nach dem islamistischen Anschlag auf das französische Satiremagazin Charlie Hebdo Plakate mit der Aufschrift "Yo soy Nisman" ("Ich bin Nisman") in die Höhe. In anderen argentinischen Städten kam es zu ähnlichen Demonstrationen.

Kirchner weist Vorwurf der Verschleierung zurück

Der Staatsanwalt ermittelte im Fall des Anschlags 1994 auf das jüdische Gemeindezentrum Amia in Buenos Aires. Bei dem schwersten Terroranschlag in der Geschichte des südamerikanischen Landes waren 85 Menschen getötet worden. Kirchner äußerte sich via Facebook. Sie warnte, dass der Vorwurf der Verschleierung dem Versuch diene, von der Aufklärung des Attentats vor 21 Jahren abzulenken.

Ihr Facebook-Eintrag trug den Titel: "Amia. Abermals: Tragödie, Verwirrung, Lügen und Fragen". Mit Blick auf den Tod Nismans schrieb die Präsidentin: "Was war es, das einen Menschen zu der furchtbaren Entscheidung bringt, aus dem Leben zu scheiden?" Seinen Tod bezeichnet Kirchner in ihrem Text als "¿suicidio?" - einen Suizid mit Fragezeichen.

© Süddeutsche.de/dpa/anri - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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