Syrien:Zeitspiel in Genf

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Trotz der Waffenruhe in Syrien wird in vielen Landesteilen gekämpft - hier ein Luftschlag auf Daraa im Süden. (Foto: Mohamad Abazeed)

Die Erwartungen an die Friedensgespräche für Syrien sind gering - was nicht nur an der Opposition liegt.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Als der UN-Sondergesandte für Syrien, Staffan de Mistura, die Einladungen für die seit Donnerstag laufenden Friedensgespräche in Genf verschickte, war das schon ein diplomatischer Balanceakt. Bei der vorigen Runde Anfang 2016 noch stellte das Hohe Verhandlungskomitee (HNC) die Oppositionsdelegation, ein Dachverband der Regimegegner mit Sitz im saudischen Riad, in dem sich sowohl wichtige politische Gruppen als auch bewaffnete Rebellen zusammengeschlossen haben.

Nun, ein Jahr später, gibt es neue Realitäten in Syrien: Russland ist der zentrale Akteur, die USA spielen derzeit kaum eine Rolle. Russland und China stimmten am Dienstag im UN-Sicherheitsrat gegen einen Resolutionsentwurf, der Sanktionen gegen die Regierung des syrischen Machthabers Baschar al-Assad wegen des mutmaßlichen Einsatzes von Chemiewaffen vorsieht. Mit ihrem Nein brachten die Veto-Mächte die Sanktionsresolution in New York zu Fall. Russland hatte bereits in der vergangenen Woche angekündigt, die Resolution gegen seinen Verbündeten Syrien zu verhindern.

Das Regime will nicht über eine Verfassung, sondern nur über den Kampf gegen Terror verhandeln

Diesmal ging die Hälfte der 20 Delegierten bei den Friedensgesprächen an jene Rebellengruppen, mit denen Moskau in einem separaten Format in der kasachischen Hauptstadt Astana über eine Waffenruhe verhandelt, deren Garantiemächte Russland und die Türkei sind. Überdies lud de Mistura Vertreter der sogenannten Moskau- und der Kairo-Gruppe ein; Oppositionelle, die von den Regierungen in den jeweiligen Hauptstädten unterstützt werden und auf deren Druck nach Genf gebeten wurden. Den meisten Rebellen aber gelten diese Gruppen jedoch als oppositionelle Feigenblätter des Regimes. Ihr Status bei den Gesprächen ist nicht klar. Diplomaten in Genf sagen, man habe ihn bewusst offengelassen; sie hätten aber nicht den gleichen Rang wie die HNC-Delegierten und die Vertreter der Astana-Gruppen.

Der Unterhändler der Regierung von Präsident Baschar al-Assad, UN-Botschafter Baschar al-Dschaafari, sagte, er werde nur mit einer geeinten Opposition verhandeln - ein Manöver, um Zeit zu gewinnen und zu versuchen, die Zusammensetzung der Delegation nach Gusto des Regimes zu verändern. Zugleich verlangte er als Bedingung für weitere Gespräche, dass die Opposition die Anschläge in Homs auf zwei hohe Sicherheitsoffiziere verurteilen müsse. Inhalt der Verhandlungen könne zudem nur der Kampf gegen Terrorismus sein - nicht wie von de Mistura vorgesehen eine neue Verfassung, eine glaubhafte Übergangsregierung und die Vorbereitung von Wahlen.

Viele Rebellen schlossen sich einer salafistischen Miliz an, weil ihnen angeblich keine Wahl blieb

Die Opposition hofft nun auf Moskau; am Dienstag wollte sie sich mit Gennadij Gatilow treffen, dem Vizeaußenminister, der zuvor Assads Unterhändler gesprochen hatte. Er soll nun Druck auf das Regime ausüben. Zudem fordern die Rebellen, dass Russland ein Ende der Luftangriffe durchsetzt. Sie treffen Gruppen, die in Astana wie in Genf Verhandlungspartner Moskaus und des Regimes sein sollen. Russland hat für Mitte März zum nächsten Treffen in Astana eingeladen, an dem auch Iran und Jordanien teilnehmen sollen. Wenn in Genf keine Fortschritte erzielt werden und die Waffenruhe weiter bröckelt, ist fraglich, ob das Treffen zustande kommt. Russland müsste also jetzt seinen Einfluss in Damaskus geltend machen, so die Logik der Opposition. Allerdings wankt auch das Astana-Format - was zugleich Fragen für Genf aufwirft: Während der ersten Runde in der kasachischen Hauptstadt startete Fateh al-Scham, Nachfolger der Nusra-Front, in Idlib und der Umgebung von Aleppo eine Offensive gegen jene Rebellengruppen, die an den Verhandlungen teilnahmen. Etliche von ihnen schlossen sich der salafistischen Gruppe Ahrar al-Scham an - weil die USA und arabische Staaten ihre Unterstützung zurückgefahren hätten und ihnen angeblich keine Wahl blieb.

Die Gruppe kämpft zwar gegen den Al-Qaida-Nachfolger und andere Dschihadisten, die inzwischen selbst eine neue Allianz gebildet haben, Tahrir al-Scham. Sie gilt aber als zu radikal, um Partner des Westens sein zu können. Zugleich zeichnen sich neue Konflikte ab zwischen der Türkei und den von ihr unterstützten Rebellen einerseits und Regierungstruppen sowie von Iran kontrollierten Einheiten andererseits. Erstgenannte haben die Terrormiliz Islamischer Staat aus der Stadt al-Bab an der türkischen Grenze vertrieben und wollen auf Raqqa vorrücken, die Hauptstadt des IS in Syrien. Syrische Truppen und Iran versuchen, ihnen den Weg abzuschneiden. Sie wollen verhindern, dass die Türkei in Syrien doch noch Schutzzonen einrichten kann. Russland hat davor gewarnt, solche Zonen ohne Zustimmung Assads zu etablieren. Russische Diplomaten räumen ein, dass es schwierig werde, den Krieg in Syrien ohne Beteiligung der USA zu beenden. Sie hatten gehofft, dass sich Präsident Donald Trump auf den Kampf gegen den IS konzentriert und die Rebellen gezwungen sein würden, die Bedingungen des Regimes für einen Frieden zu akzeptieren. Jetzt zeichnet sich ab, dass vom IS befreite Gebiete unter die Kontrolle der Opposition fallen könnten.

© SZ vom 01.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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