Syrien:Türkei greift Kurdenmiliz in Syrien und im Irak an

Lesezeit: 2 min

Das Bombardement dürfte die Spannungen zwischen Istanbul, Washington und Bagdad weiter verschärfen. Angeblich sind bei dem Angriff 200 Menschen getötet worden. Diese Zahl konnte bislang jedoch nicht bestätigt werden.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Kampfjets der türkischen Luftwaffe haben am frühen Dienstagmorgen ein Hauptquartier der mit den USA verbündeten Kurdenmiliz YPG in Syrien bombardiert sowie Stellungen der YPG im nordirakischen Sinjar-Gebirge. Sie hat dort Kontakte zur Bürgerwehr der Jesiden, den YBŞ. Dabei kamen mindestens 19 Mitglieder der Gruppe ums Leben, die der Türkei als Ableger als Terrorgruppe eingestuften Kurdischen Arbeiterpartei PKK gilt. In Sinjar starben zudem fünf Peschmerga, neun wurden verletzt. Die kurdische Regionalregierung in Erbil, die gute Beziehungen zu Ankara pflegt, hatte sie dort stationiert.

Die türkische Armee sprach von rund 70 getöteten Extremisten. Laut einer Erklärung des türkischen Militärs sollte mit dem Bombardement verhindert werden, dass PKK-Kämpfer, Waffen, Munition und Sprengstoff für Terrorattacken in die Türkei geschmuggelt werden; beide Regionen seien zu Brutstätten des Terrorismus geworden. Eine anonyme Quelle im türkischen Sicherheitsapparat sagte der Nachrichtenagentur AP, bis zu 200 kurdische Extremisten seien getötet worden, auch Kommandeure. Dafür gab es zunächst weder eine Bestätigung noch Belege.

Die USA verurteilten das Vorgehen der Türkei scharf, sie seien weder mit den USA noch mit der Anti-IS-Koalition in Syrien und im Irak abgesprochen gewesen. Die YPG sollen als zentraler Teil der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), unterstützt von US-Soldaten, Raqqa zurückerobern, die syrische Hauptstadt der Terrormiliz Islamischer Staat. Die USA hatten jüngst Einheiten nach Manbij entsandt, um dort Zusammenstöße zwischen den Kurden und der Türkei zu verhindern. Die USA gehen bisher nicht auf Forderungen der Türkei ein, ihre Unterstützung für die YPG zu beenden und die Offensive auf Raqqa mit syrisch-arabischen Milizen zu führen, welche die Türkei kontrolliert.

Die irakische Regierung verurteilte das Bombardement in Sinjar scharf; sie befürchtet überdies eine Militärintervention der Türkei im Nordirak im Streit um künftige Regierungsstrukturen für die Region Mossul. Die Türkei lehnt die Präsenz schiitischer Milizen dort ab und unterstützt den Ex-Gouverneur der überwiegend von Sunniten, aber auch vielen Minderheiten bewohnten Provinz, Atheel al-Nujaif. Bagdad hatte ihn abgesetzt. Auch will die Türkei verhindern, dass von Iran kontrollierte Milizen nach Nordsyrien durchmarschieren, um für das von Teheran unterstützte Regime al-Assads gegen Rebellen zu kämpfen, die wiederum Ankara unterstützt.

Die kurdische Regionalregierung in Erbil lehnt eine Präsenz der PKK in Sinjar ebenso ab wie die Türkei und hat Peschmerga ins Grenzgebiet entsandt. Zugleich verurteilte sie den Luftangriff. Mit der PKK verbundene Einheiten waren 2014 den im Gebirge eingekesselten Jesiden gegen den IS zu Hilfe geeilt und hatten einen weit größeren Genozid an der religiösen Minderheit verhindert. Der IS hatte Tausende Jesiden getötet und versklavt; seither unterstützen YPG-Leute die jesidischen YBŞ.

© SZ vom 26.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: