Syrien:Ohne Plan B

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Staffan de Mistura, Sondergesandter der Vereinten Nationen, soll in Genf helfen, die Kriegsparteien in Syrien zu versöhnen. (Foto: Philippe Desmazes/AFP)

Die Genfer Friedensgespräche haben ein hohes Ziel: In 18 Monaten soll Syrien wählen. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg.

Von Charlotte Theile, Genf

Der Sondergesandte der Vereinten Nationen hat wenig Zeit. In wenigen Minuten gehen die Friedensgespräche zwischen dem syrischen Regime und der Opposition in eine neue Runde, Staffan de Mistura sieht sich Hunderten Kameras und Journalisten gegenüber. Zwei, drei Fragen, das muss reichen. Doch auf eine Sache ist de Mistura besonders stolz. "Raten Sie mal, mit wem ich gestern zuerst gesprochen habe?" fragt der Diplomat in die Runde. "Mit der Opposition?", ruft es fragend aus der ersten Reihe. Dazu aufgeregtes Fingerschnippen. "Falsch" sagt der Sondergesandte zufrieden - und lässt noch einmal raten. Wieder falsch. Staffan de Mistura hat sich Sonntag Nachmittag mit einer syrischen Frauendelegation getroffen - und, auch das betont er, deutlich länger als mit allen anderen.

Das ist zum einen ein Zeichen der Inklusion: Alle beteiligten Gruppen sollen in den Friedensprozess einbezogen werden. Andererseits lässt sich das Statement des UN-Diplomaten auch als Nachricht an die islamistischen Kräfte in der syrischen Opposition lesen. Für Gleichberechtigung sind sie eher nicht bekannt. Die zweite Gruppe, über die de Mistura zu Verhandlungsbeginn sprechen will, sind Kinder. Nach fünf Jahren Krieg gibt es viele, die sich nicht an Frieden erinnern können, die in bitterster Armut leben.

Die Ziele, die der Sondergesandte an diesem Montag präsentiert, sind ehrgeizig. Innerhalb von 18 Monaten soll in Syrien gewählt werden. Auch soll eine neue Verfassung entstehen. Bisher verhandeln die verfeindeten Lager nicht direkt miteinander. Uneinig sind sie sich vor allem in einem Punkt: der Zukunft von Machthaber Baschar al-Assad. Für die syrische Regierung ist klar, dass der Diktator in jedem Fall im Amt bleiben soll. De Mistura hingegen betonte auf Nachfrage erneut, es müsse Wahlen geben. Er beruft sich damit auf Beschlüsse des UN-Sicherheitsrates und der von den USA und Russland geführten Internationalen Syrien-Unterstützergruppe (ISSG). Für den Fall, dass die Teilnehmer nicht zu Verhandlungen bereit seien, drohte de Mistura damit, erneut den UN-Sicherheitsrat anzurufen.

Seit dem 27. Februar gibt es eine Waffenruhe, die weitgehend eingehalten wird

Der Sondergesandte sagte, es gebe keine Alternative zu den Verhandlungen. "Der einzige Plan B, den ich sehe, ist die Rückkehr zum Krieg. Und zwar zu einem noch schlimmeren Krieg als wir ihn bisher gesehen haben." Seit dem 27. Februar gibt es eine Waffenruhe, die weitgehend eingehalten wird - auch wenn die Konfliktparteien einander immer wieder Verstöße vorwerfen. Drei Runden sind für die Friedensverhandlungen angesetzt, die erste Runde soll Ende März zu Ende gehen.

In einem ersten Schritt kam der Sondergesandte am Montag mit der Delegation des syrischen Regimes zusammen. Der Leiter der syrischen Delegation, Baschar Dscha'afari, sagte am Nachmittag, er habe dem Sondergesandten eine Schrift mit dem Titel "Grundlegende Elemente für eine politische Lösung" überreicht. Er beschrieb das Gespräch als konstruktiv.

Die Vertreter der syrischen Opposition verhandelten am Montag vor allem untereinander. Ihr Treffpunkt: Ein Vier-Sterne-Hotel in der Nähe der Vereinten Nationen, zu erkennen an der Polizeipräsenz vor der Tür - und an den Hotelgästen, die zwischen Kamerateams und Security-Kräften versuchen, zu ihren Zimmern zu gelangen. Ein Ausnahmezustand, der vermutlich mehrere Wochen andauern wird.

Salem al-Meslet, Sprecher des Hohen Verhandlungskomitees der Assad-Gegner, verlangte im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung nach klaren Zeichen, dass der Diktator seinen Platz räumen werde. Mit ihm an der Spitze könne es keinen Frieden geben. Ein konkretes Ultimatum wollte al-Meslet jedoch nicht aussprechen. Er sei vorsichtig optimistisch. "Ich sehe, dass jetzt einige Türen offen sind, die zuvor verschlossen waren", sagte der Sprecher. Seine Delegation werde so lange in Genf bleiben, wie es nötig sei. Die Pläne des syrischen Regimes wollte er nicht diskutieren.

© SZ vom 15.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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