Syrien-Krieg:Machtkampf der Sieger von Aleppo

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Russland kann eine Waffenruhe in der umkämpften syrischen Stadt nicht durchsetzen. Die Opposition macht Iran für das Scheitern verantwortlich. Zivilisten warten vergeblich auf Hilfe

Von Moritz Baumstieger, München

Der von der Türkei und Russland vermittelte Waffenstillstand für Aleppo zwischen dem syrischen Regime und den in den letzten Rebellengebieten eingeschlossenen Aufständischen ist am Mittwoch gescheitert, ehe Ost-Aleppos Evakuierung beginnen konnte. In der Folge flammten die Kämpfe wieder auf. Die von Rebellen gehaltenen Stadtteile wurden erneut Ziel heftiger Luftangriffe, wie Hilfsorganisationen und Oppositionsaktivisten berichteten.

Am späten Abend teilten dann Sprecher mehrerer Rebellengruppen sowie ein Vertreter des syrischen Pro-Regime-Bündnisses mit, eine neue Waffenruhe solle in der Nacht zu diesem Donnerstag in Kraft treten und Ost-Aleppos Evakuierung am Morgen beginnen. Die Bürgerkriegsparteien hatten sich am Mittwoch gegenseitig vorgeworfen, den Zusammenbruch der Waffenruhe zu verantworten: Russland und die Regierung des Machthabers Baschar al-Assad werfen den Rebellen vor, den Westteil bei einem Ausbruchsversuch aus dem Belagerungsring beschossen zu haben. Nach Schilderung Osama Abu Zayds, Rechtsberater der syrischen Opposition, waren es für Assad kämpfende iranische Milizen, die das Feuer wieder aufnahmen. "Russland bringt Iran nicht dazu, den Deal einzuhalten", sagte er in einem von Rebellen gehaltenen Vorort Aleppos der Agentur AP. Andere Beobachter meinen, Assad selbst habe sich der vom Verbündeten Russland vermittelten Waffenruhe widersetzt. Dem russischen Staatssender sagte Assad, die Forderungen des Westens nach einer Feuerpause hätten nur das Ziel, "Terroristen" in Ost-Aleppo zu retten. Am frühen Mittwochmorgen hatten viele Zivilisten aus den Rebellengebieten an den Sammelpunkten für den Abtransport ausgeharrt, darunter Familien und Verletzte. In Sichtweite warteten grüne Reisebusse, mit denen sie in andere Rebellengebiete gebracht werden sollten. Zunächst hieß es, der Transport verzögere sich, weil Rebellen und Regierung über Details stritten: Aus dem Umfeld der UN hieß es dagegen, Assads Verbündeter Iran habe plötzlich mit neuen Forderungen den Evakuierungsbeginn blockiert. Schließlich fuhren die Busse leer ab, die Kämpfe begannen wieder.

Welche Rolle Iran beim Scheitern des Abkommens am Mittwoch auch gespielt haben mag - aus Teheran kamen selbstbewusste Töne: "Die Amerikaner müssen realisieren, dass die Islamische Republik Iran die stärkste Macht in der Region ist", sagte General Yahya Safavi, ranghoher außenpolitischer Berater von Irans Revolutionsführer Khamenei zur Entwicklung in Aleppo.

Wie der türkische Außenminister Mevlüt Cavuşoğlu am Mittwochabend mitteilte, planen die Türkei, Russland und Iran am 27. Dezember einen Syrien-Gipfel. Cavuşoğlu sagte dem Sender TGRT: "Wir bemühen uns hart darum, eine Waffenruhe im ganzen Land herzustellen." Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte Assad für die jüngste Eskalation verantwortlich gemacht und dem Regime Kriegsverbrechen vorgeworfen. Trotz Ankaras Vorwürfen gegen Moskaus Verbündeten sagte Russlands Außenminister Sergej Lawrow, er setze "große Hoffnungen" auf die Gespräche mit der Türkei.

Das Werk der Zerstörung: Kämpfer des Assad-Regimes stehen am Rande von Aleppos Altstadt auf einem umgestürzten Panzer. (Foto: Omar Sanadiki/Reuters)
© SZ vom 15.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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