Syrien:Kämpfe im Weltkulturerbe

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Assads Armee hat Aleppos Altstadt erobert. Nun feuern die Rebellen mit Granaten und Mörsern auf die von ihnen zuvor geräumten Gebiete.

Von Moritz Baumstieger, München

Das mörderische Ringen um die Zukunft Syriens wird auf historisch bedeutsamem Grund ausgetragen: Den Kräften von Syriens Machthaber Baschar al-Assad gelang es, die bisher von den Rebellen gehaltene Altstadt von Aleppo einzunehmen, wie Staatsmedien und die der Opposition nahestehende Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte übereinstimmend berichteten. Das Gebiet ist seit mehr als 5000 Jahren besiedelt und eines der ältesten Handelszentren im Nahen Osten. Schon 1986 hatte die Unesco das Stadtzentrum zum Weltkulturerbe ernannt, in den Jahren vor Beginn des Bürgerkrieges wurden viele der engen Gassen und alten Karawansereien restauriert. Heute, im sechsten Winter des Bürgerkrieges, ist von dem zum Teil nicht mehr viel übrig.

Dominiert wird die Altstadt von der mächtigen Zitadelle (Foto). Die Festung, deren Bausubstanz größtenteils aus dem 13. Jahrhundert stammt, befand sich schon vor Beginn der jüngsten Offensive zur Rückeroberung der Rebellengebiete in der Hand des Regimes. Sie ragte wie ein Finger in die Viertel der Aufständischen hinein, Regimekräfte bauten die Zitadelle zu einem Stützpunkt aus - somit kam der alten Wehranlage plötzlich wieder militärische Bedeutung zu. Im Zuge der Kämpfe wurden sie stark beschädigt, Teile der Außenmauern stürzten im Sommer 2015 ein.

Dienstagnacht gelang es den Regimekräften nun zunächst, zwei Viertel nördlich der Zitadelle einzunehmen. Daraufhin zogen sich die Rebellen aus vielen Altstadtgebieten in Richtung Süden zurück, um nicht von Assads Kämpfern eingekesselt zu werden. Nach Einschätzungen von Beobachtern haben sie somit drei Viertel ihrer Gebiete in Ost-Aleppo verloren. Die ohnehin schon stark beschädigten historischen Bauten in den Vierteln um die alten Stadttore sind durch das vorläufige Ende der Bombardements aber noch nicht gerettet: Mittwochnachmittag zeigten Livebilder des libanesischen TV-Sendes al-Mayadeen, dass nun die Rebellen die Armee in den von ihnen geräumten Stadtviertel mit Granaten und Mörsern beschießen.

Nach mehreren Berichten hat die Armee auch das Gebiet um die Ommayaden-Moschee eingenommen, das westlich der Zitadelle liegt. Als das Minarett des im Jahr 715 errichteten Gotteshauses im April 2013 einstürzte, wurden Bilder der beschädigten Moschee zum Symbol für die sinnlose Zerstörungskraft dieses Krieges. Schon ein halbes Jahr zuvor war der Souk vollkommen ausgebrannt, der durchgängig überdachte Basar der Stadt, der zu den schönsten des Nahen Ostens gezählt hatte. Dass dies erst der Anfang war, konnte man sich damals noch nicht vorstellen.

© SZ vom 08.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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