Syrien:Islamist der ersten Stunde

Lesezeit: 2 min

Der Deutsch-Syrer Mohammed Haidar Zammar. (Foto: AP)

Eine kurdische Miliz nimmt in Syrien einen deutschen Dschihadisten fest. Er hatte Kontakte zu den Attentätern des 11. September 2001.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

In Nordsyrien haben die kurdischen YPG-Milizen den deutschen Dschihadisten Mohammed Haidar Zammar festgenommen. Das US-Verteidigungsministerium bestätigte entsprechende Berichte in der Nacht zum Freitag, nachdem es zunächst geheißen hatte, der von den USA geführten Internationalen Militärkoalition zum Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) lägen keine entsprechenden Erkenntnisse vor. Zammar war laut kurdischen Quellen vor etwa einem Monat nahe der Stadt Qamischlo aufgegriffen worden, zuerst hatte die Bild-Zeitung darüber berichtet. Kurdische Kommandeure teilten mit, Zammar werde verhört, nicht aber, was genau sie ihm vorwerfen.

Zammar soll sich 2014 dem IS angeschlossen haben und zu einer wichtigen Führungsperson aufgestiegen sein, was die bisherige offizielle Einschätzung mindestens relativieren würde, Deutsche hätten beim IS keine zentrale Rolle gespielt. Westliche Geheimdienste hatten Hinweise darauf, dass er als Logistiker oder Prediger des IS fungierte. Zammar soll möglicherweise als Kontaktperson des IS-Emirs Abu Bakr al-Bagdadi zur ägyptischen Dschihadisten-Gruppe Ansar Beit al-Maqdis gedient haben, die im November 2014 dem IS Treue schwor.

Zammar kam laut syrischen Medien Ende 2013 bei einem Gefangenenaustausch des syrischen Regimes mit der radikalen Rebellengruppe Ahrar al-Scham aus syrischer Haft frei. Er wurde zuletzt im Zentralgefängnis von Aleppo festgehalten. Ahrar al-Scham lieferte sich im Bürgerkrieg heftige Gefechte mit dem IS, Zammar soll sich den Dschihadisten aber bald nach seiner Freilassung angeschlossen haben. Ein IS-Video zeigt ihn 2014 unter einer IS-Flagge bei einem Treffen des IS mit Stammesführern in der Nähe von Aleppo; unklar ist, ob er damals schon dem IS angehörte.

Zammar hatte in Hamburg enge Kontakte zu den Attentätern des 11. September 2001, der Terrorzelle um Mohammed Atta; er hatte schon Anfang der Neunzigerjahre in Afghanistan gekämpft und Verbindungen zu al-Qaida und deren Anführer Osama bin Laden. Kurz nach den Anschlägen reiste er nach Marokko, angeblich um sich von seiner Zweitfrau scheiden zu lassen. Die Behörden dort nahmen ihn auf Drängen der USA fest. Die Amerikaner hatten die deutschen Nachrichtendienste um Amtshilfe gebeten; diese lieferten persönliche Daten, Flugdaten, Mitschriften abgehörter Gespräche und anderes. Die CIA überstellte Zammar schließlich nach umfangreichen Verhören nach Syrien.

Dort kam es im November 2003 zu einer Vernehmung durch Beamte des Bundesnachrichtendienstes, des Bundeskriminalamtes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Zammar wurde in Syrien zum Tode verurteilt, unter anderem wegen Mitgliedschaft in der syrischen Muslimbruderschaft, später wurde die Strafe umgewandelt zu zwölf Jahren Haft. In Deutschland beschäftigte sich ein Untersuchungsausschuss mit seinem Fall.

Unklar blieb zunächst, wie die deutschen Behörden mit der Festnahme umgehen wollen. Es liege ein unbestätigter Hinweis vor, wonach sich Zammar in Gewahrsam von Anti-IS-Kräften in Syrien befinden soll, hieß es aus dem Auswärtigen Amt. Eigene Erkenntnisse habe man aber nicht, konsularische Betreuung deutscher Staatsangehöriger in Syrien sei nicht möglich, weil die Botschaft geschlossen ist.

Der Generalbundesanwalt teilte mit, die aktuellen Entwicklungen könne man nicht kommentieren. Ein Verfahren gegen Zammar in Zusammenhang mit den Anschlägen des 11. September 2001 war wegen Verjährung eingestellt worden. Denkbar wären nun Ermittlungen wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung. Die Bundesregierung bemüht sich im Irak um die Überstellung deutscher IS-Verdächtiger. In Syrien ist die Situation schwieriger. Es gibt Überlegungen, Dschihadisten mit doppelter Staatsangehörigkeit die deutsche zu entziehen. Zammar war 1971 als Zehnjähriger aus Aleppo nach Hamburg gekommen, 1982 wurde er eingebürgert. Fraglich ist, ob Syrien seinen Verzicht auf die Staatsbürgerschaft anerkennt; das ist nur mit Zustimmung der Regierung möglich und bei Männern im wehrfähigen Alter ausgeschlossen.

© SZ vom 21.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: