Syrien:Eine Frage von Leben und Tod

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Die Feuerpause im syrischen Ost-Ghouta ist zu kurz, um den Menschen Hilfe bringen zu können.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Wegen anhaltender Gewalt in Syrien haben die Vereinten Nationen keine Hilfsgüter in die belagerte Rebellen-Enklave Ost-Ghouta bringen können. Das sagte der Sprecher des UN-Büros zur Koordinierung humanitärer Hilfe (Ocha), Jens Laerke, am Dienstag in Genf. Von neun Uhr morgens bis zwei Uhr am Nachmittag sollte dort eine vom russischen Präsidenten Wladimir Putin angeordnete Feuerpause gelten, in der auch Zivilisten das Gebiet verlassen sollten. Eine stundenweise Feuerpause reiche nicht aus, um die notleidende Bevölkerung zu versorgen, sagte Laerke weiter. "Es ist eine Frage von Leben und Tod."

Am Morgen sei die Region im Osten von Damaskus noch beschossen worden, unter solchen Bedingungen könnten keine Hilfsgüter geliefert werden, führte er aus. Bewohner berichteten von Luft- und Artillerieangriffen durch die syrische Armee. Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian forderte bei einem Besuch in Moskau eine Ausweitung der Feuerpause.

Russland hatte am Samstag im UN-Sicherheitsrat einer Resolution zugestimmt, die eine landesweite Waffenruhe für 30 Tage vorsieht. Am Montag aber erklärte Außenminister Sergej Lawrow, sie gelte nicht für die wichtigsten Rebellengruppen in Ost-Ghouta oder Idlib. Er warf den Gruppen Jaisch al-Islam und Ahrar al-Scham Kooperation mit al-Qaida vor - obwohl beide Gruppen sich schwere Kämpfe mit den Islamisten geliefert hatten und Jaisch al-Islam zu Russlands Verhandlungspartnern in Astana zählte.

Das russische Militär beschuldigte die Rebellen, sie würden einen von Russland eingerichteten "humanitären Korridor" beschießen, über den Zivilisten die belagerten Vororte verlassen sollen. Deshalb sei dieser Weg "nicht von einem Zivilisten" benutzt worden. Dagegen sagte Mohammed Allousch, Anführer von Jaisch al-Islam, Russland gehe es nicht um den Schutz von Zivilisten, sondern darum, sie zu vertreiben.

In dem Gebiet sind nach Angabe von Ärzten 530 Zivilisten getötet worden

Fünf Jahre lang hatte das Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad die Menschen in der östlichen Ghouta - mit Ausnahme von Regierungsangestellten- daran gehindert, das Gebiet zu verlassen. Nun sollen sie ihre Häuser aufgeben.

Das gleiche Vorgehen der syrischen und russischen Streitkräfte Ende des Jahres 2016 in den Rebellen-Gebieten von Ost-Aleppo hatte die UN-Untersuchungskommission für Syrien als gewaltsame Vertreibung eingestuft, als Kriegsverbrechen mithin. Damals waren Rebellen und Zivilisten aus Ost-Aleppo weggebracht worden, wie es nun auch in Ghouta geplant ist.

In dem Gebiet mit laut UN 400 000 Bewohnern sind seit Sonntag vorvergangener Woche nach Angaben von Ärzten mehr als 530 Zivilisten getötet worden, mehr als 1000 Menschen sind beim Internationalen Komitee vom Roten Kreuz für medizinische Evakuierungen gemeldet. Nach Regierungsangaben starben seither auch mindestens 36 Zivilisten durch den wahllosen Beschuss mit Granaten und Raketen auf die vom Regime kontrollierten Teile der Hauptstadt, auch das ist mutmaßlich ein Kriegsverbrechen - wie die Bombardierung der Wohnviertel in den Rebellen-Gebieten.

© SZ vom 28.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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