Syrien:Bomben auf Krankenhäuser

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Rauchsäule über der Stadt Hamouria in Ost-Ghouta. Am Donnerstag starben in der Rebellenenklave vor den Toren von Damaskus mindestens 13 Menschen; die Zahl der Opfer stieg damit nach Angaben von Ärzten auf mehr als 300 innerhalb weniger Tage. (Foto: Abdulmonam Eassa/AFP)

Die Menschen in Ost-Ghouta erleben eine der schwersten Angriffswellen seit Beginn des Krieges vor sieben Jahren. Eine Waffenruhe ist nicht in Sicht - daran kann auch der UN-Sicherheitsrat bisher nichts ändern.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Für die Menschen in den belagerten Vororten der syrischen Hauptstadt Damaskus gibt es nur wenig Hoffnung auf ein Ende des Bombardements. Russland teilte in der Nacht zum Donnerstag mit, Gespräche über ein Ende der Kämpfe seien gescheitert, weil sich die Rebellen geweigert hätten, die Waffen niederzulegen. In dem ungefähr 100 Quadratkilometer großen Gebiet sind nach Schätzungen der Vereinten Nationen etwa 400 000 Menschen eingeschlossen. Seit Sonntag sind sie einer der schwersten Angriffswellen in dem schon sieben Jahre währenden Bürgerkrieg ausgesetzt.

Bomben russischer und syrischer Kampfjets töteten am Donnerstag mindestens 13 Menschen; die Zahl der Opfer stieg damit nach Angaben von Ärzten auf mehr als 300, die der Verletzten auf etwa 2000. Sie berichteten am Telefon auch von weiteren Angriffen auf Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen. Demnach wurden alleine von Mittwochmorgen bis Donnerstagmittag elf Krankenstationen bombardiert, ein gezieltes Vorgehen wie bei anderen Belagerungen zuvor.

Der UN-Sondergesandte Staffan de Mistura sagte am Donnerstag vor einer Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates, er erwarte schwierige Gespräche über eine Waffenruhe. Kuwait und Schweden brachten eine Resolution ein, die eine sofortige Unterbrechung der Kampfhandlungen für 30 Tage verlangte. In dieser Zeit sollten Hilfsgüter in die seit November von jeglicher Versorgung abgeschnittenen Orte geliefert und Verletzte herausgebracht werden.

Ein Teil der Milizen, die nach Afrin eingerückt sind, wird von Hisbollah-Kämpfern unterstützt

Allerdings wurde die Sitzung am Donnerstagabend ohne Abstimmung beendet, weil Russland während der Sitzung deutlich machte, dass es dem Entwurf in dieser Form nicht zustimmen werde. Eine Abstimmung noch am Donnerstag über das Papier galt als extrem unwahrscheinlich. Diplomaten zufolge könnte nach weiteren Beratungen möglicherweise am Freitag abgestimmt werden. Russlands Außenminister Sergej Lawrow hatte sich zuvor bereit gezeigt, über eine Resolution zu sprechen, verlangte aber, sie dürfe nicht für von den UN anerkannte Terrorgruppen wie den Islamischen Staat oder die Nusra-Front gelten und auch nicht für Gruppen, die "Wohnviertel in Damaskus beschießen". Der Kreml wies jede Verantwortung für die Situation von sich, obwohl auch das russische Militär in Syrien von einer "kritischen humanitären und ökonomischen Lage" spricht.

Syrische Staatsmedien und auch russische Quellen bestätigten Angaben, wonach russische Jets an den Angriffen beteiligt sind. Westliche Geheimdienste sehen nach Informationen der Süddeutschen Zeitung nach der Auswertung von Satellitenbildern und Flugdaten keine Anzeichen dafür, dass Russland wie von Präsident Wladimir Putin angekündigt Truppen oder Kampfflugzeuge aus Syrien abzieht.

Tatsächlich ist die östliche Ghouta eine von vier Deeskalationszonen, die auf Initiative Russlands mit Iran, der Türkei und verschiedenen Rebellengruppen vereinbart wurden. Nicht alle Gruppen dort waren von den Vereinbarungen betroffen. Mit einer Offensive gegen ein Panzerdepot in Harasta im Januar hatten sie zur jetzigen Eskalation beigetragen; sie rechtfertigten dies damit, dass sie nur einem Angriff des Regimes zuvorgekommen seien.

Ost-Ghouta wird von islamistischen Gruppen dominiert, die gut ausgerüstet sind und das von der Regierung kontrollierte Gebiet der Hauptstadt mit Mörsergranaten und Raketen beschießen. Bewohner sagen, es sei der schlimmste Beschuss des gesamten Krieges. In den vergangenen Tagen wurden mindestens zwölf Menschen im Regierungsgebiet getötet; Granaten schlugen auch in der Altstadt ein, weniger als drei Kilometer von der Front entfernt.

Im Norden Syriens spitzte sich die Situation um den kurdischen Kanton Afrin zu: Erneut erreichten laut Staatsmedien 500 regierungstreue Milizionäre das Gebiet, das seit dem 20. Januar Ziel einer türkischen Militäroffensive ist. Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte angekündigt, die Stadt Afrin zu belagern, um zu verhindern, dass die dort dominierenden kurdischen YPG-Milizen Hilfe von außen erhalten. Ankara betrachtet die YPG als syrischen Ableger der als terroristisch eingestuften PKK.

Putin hat nach übereinstimmenden Angaben Erdoğans und kurdischer Quellen zwar verhindert, dass Präsident Baschar al-Assad Armee-Einheiten nach Afrin entsendet. Brisant sind die Zusammenstöße dennoch: Ein Teil der Milizen, die nach Afrin eingerückt sind, wird von Hisbollah-Kämpfern unterstützt und mutmaßlich auch von Beratern der iranischen Revolutionsgarden. Damit treffen zwei der drei Mächte aufeinander, die an der Aushandlung der Deeskalationszonen in Astana beteiligt sind - Iran und die Türkei; ein Gipfeltreffen der drei Präsidenten ist für April geplant.

Aus Aleppo waren mit Duldung des Regimes Hunderte Mann einer kurdischen Miliz nach Afrin eingerückt. Mitglieder der sogenannten Nationalen Verteidigungskräfte, einer der Armee unterstellten Freiwilligenmiliz, kamen aus den schiitischen Orten al-Zahra' und Nubl. Diese waren jahrelang von islamistischen Rebellengruppen belagert worden, die jetzt in Afrin an der Seite der türkischen Armee kämpfen.

© SZ vom 23.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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