Syrien:Bis die Fahne weht

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Machthaber Assad schlägt den Widerstand im Land systematisch nieder. Russland hilft dabei, und Europa muss akzeptieren, dass ein wie auch immer gearteter "politischer Friede" so unwahrscheinlich ist wie nie. Muss man sich damit jetzt arrangieren?

Von Paul-Anton Krüger

Jahrelang war das Mantra aller externen Mächte zum Syrien-Konflikt, es gebe keine militärische Lösung, sondern nur eine politische. Das ist seit dem militärischen Eingreifen Russlands im Herbst 2015 eine Lüge, auch wenn Moskau und Teheran treuherzig am Sätzlein von der politischen Lösung festhielten und sich die westlichen Staaten in einer Mischung aus Hilflosigkeit und Naivität an diese vermeintliche Gewissheit klammerten. Syriens Präsident Baschar al-Assad hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass für ihn der Krieg erst beendet ist, wenn die Armee wieder die Flagge über jedem Quadratzentimeter syrischen Bodens gehisst hat.

Nächster Schritt auf diesem Weg ist die Schlacht im Südwesten. Sie ist für Damaskus symbolisch wichtig, weil von Deraa 2011 der Aufstand gegen Assad ausging. Strategisch ist sie wichtig, weil das Regime die Kontrolle über die Grenze zu Jordanien zurückgewinnen will. Amman ist aus wirtschaftlichen Gründen interessiert, sie wieder zu öffnen; Damaskus verspricht sich davon Normalisierung und neue internationale Legitimität.

Moskau fühlt sich an Zusagen in Syrien nur so lange gebunden, wie es opportun ist, selbst gegenüber den USA oder Jordanien. Die von Russland ausgehandelten Deeskalationszonen, waren nicht der Schritt hin zu einer politischen Lösung. Sie waren ein militärtaktischer Schachzug, um die Lage für die gebeutelte syrische Armee und die mit ihnen verbündeten Milizen handhabbar zu machen. Statt an einem halben Dutzend Fronten gleichzeitig zu kämpfen, nehmen sie jetzt nach und nach eine Deeskalationszone nach der anderen ein.

Politischen Fortschritt gibt es fast keinen; Assad hat sich auf Druck aus Moskau bereitgefunden, eine Delegation zu benennen, die an der Überarbeitung der Verfassung mitwirken soll, mehr nicht. Einen glaubhaften Übergang, wie von Russland mitgetragene UN-Resolutionen ihn fordern, wird es so nicht geben, allenfalls kosmetische Korrekturen, die Assads Gewaltherrschaft unangetastet lassen.

In Deraa wiederholt sich daher nun, was zuvor schon in Ost-Ghouta passiert ist. Idlib steht der Horror noch bevor - nur dass die finale Schlacht dort noch blutiger werden wird. All dies würde nicht passieren, wenn Russlands Präsident Wladimir Putin Assad nicht politisch und militärisch unterstützen würde. Den von den USA unterstützten Kurden wird kaum etwas bleiben, als einen Deal mit Assad einzugehen, wollen sie ein ähnliches Schicksal vermeiden. Auf Beistand der Trump-Regierung werden sie sich jedenfalls kaum verlassen wollen.

Assad schlägt den Widerstand mithilfe Russlands nieder. Niemand wird ihn dabei stoppen

Die militärische Lösung hat jedoch einen Haken: Sie bringt keine Befriedung, keine Aussöhnung, keine Stabilität. Europa klammert sich daran, dass Syrien für den Wiederaufbau Milliarden braucht, die weder Russland noch Iran bereitstellen können. Da lassen sich Konditionen stellen, mit denen man die Zukunft des Landes noch beeinflussen kann, glaubt man. Das ist mehr als fragwürdig. Assad kämpft für den Erhalt seines Regimes, alles andere ist nachrangig. Für Millionen Syrer heißt das, dass sie dauerhaft nicht in ihre Heimat zurückkehren können, auch wenn der Bürgerkrieg vorbei ist, weil niemand ihre Sicherheit garantiert. Daran ändert sich auch nichts, wenn Europa trotz Assads Verbleib an der Macht den Wiederaufbau finanzieren würde. Darauf muss Europa sich einstellen.

© SZ vom 02.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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