Syrien:Autobombe reißt mehr als 120 Menschen in den Tod

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Mehrere Flüchtlingsbusse brannten nach dem Bombenanschlag von Raschidin völlig aus, in ihnen kamen durch die Flammen Dutzende Menschen zu Tode. (Foto: Omar Haj Kadour/AFP)

Der Anschlag auf Flüchtlinge bei Aleppo zählt zu den schlimmsten des Bürgerkriegs, bekannt hat sich bisher niemand.

Von Moritz Baumstieger, München

Das Ziel der Flüchtlinge war schon in Sichtweite, nur wenige Hundert Meter entfernt, als am Samstag eine Autobombe neben ihren Bussen explodierte. Der Angriff an einem Checkpoint westlich von Aleppo riss mindestens 126 Menschen in den Tod, unter ihnen mehr als 60 Kinder. Mehrere Hundert weitere Menschen wurden teils schwer verletzt, die Terrorattacke zählt damit zu einer der schlimmsten in der sechsjährigen Geschichte des syrischen Bürgerkrieges.

Die Mehrheit der Opfer gehörte zu einem Buskonvoi, der Menschen aus den regierungstreuen Städten Fua und Kafraya bringen sollte, die seit Jahren von Rebellen belagert wurden. Nach langwierigen Verhandlungen unter Vermittlung von Katar und Iran hatte sich das syrische Regime mit den Aufständischen darauf geeinigt, dass die etwa 5000 Bewohner der beiden Städte in der Provinz Idlib nach Aleppo ausreisen dürfen. Im Gegenzug sollten etwa 2200 Menschen die bisher von den Rebellen gehaltenen Orte Madaja und Zabadani bei Damaskus verlassen und die Kontrolle über die Orte an die syrische Regierungsarmee übergeben.

Bereits Donnerstag hatten die ersten der insgesamt 75 Busse aus Fua und Kafraya den Autobahn-Checkpoint bei Raschidin erreicht, dem letzten Ort in Rebellenhand vor dem vom Regime gehaltenen Aleppo. Hier kam der Konvoi zum Stehen, die syrische Armee verweigerte zunächst die Weiterfahrt. Am Samstag dann explodierte ein mit Sprengstoff beladener Transporter auf der Gegenfahrbahn, der als Hilfslieferung von Lebensmitteln getarnt war. Berichten von Journalisten und Oppositionsaktivisten zufolge seien aus dem Transporter Chips verteilt worden, weshalb vor allem viele Kinder zu dem Auto gerannt seien, bevor die Bombe detonierte.

Assad bezichtigt "Terrorgruppen", die Opposition das Regime

Durch die Explosion geriet eine nahe gelegene Tankstelle in Brand, nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, die in London ansässig ist und über ein Informantennetz im Bürgerkriegsland verfügt, starben neben 109 Zivilisten auch viele Kämpfer der Rebellen. Ein Reporter der Agentur AFP berichtete, dass noch am Sonntag Leichenteile, Kleidungsfetzen und Gepäckstücke der Opfer am Anschlagsort lagen. Von dem Transporter, mit dem der Anschlag verübt wurde, blieb nur ein ausgebranntes Wrack zurück. Die Überlebenden konnten am Samstagabend weiterreisen. Sie trafen in der Nacht zum Sonntag in Aleppo ein, von wo aus sie teilweise in die Hafenstadt Latakia oder in die Hauptstadt Damaskus gebracht werden sollten. Auch die Evakuierung der von den Rebellen gehaltenen Orte bei Damaskus lief zunächst weiter.

Wer die Tat begangen haben könnte, ist weiter unklar, ein Bekenntnis blieb bisher aus. Die Regierung in Damaskus machte "Terrorgruppen" für den Anschlag verantwortlich, so bezeichnet das Regime von Machthaber Baschar al-Assad grundsätzlich alle bewaffneten Gegner. Die islamistische Rebellengruppe Ahrar al-Scham wies eine Verantwortung der Aufständischen zurück. "Unsere Aufgabe war es, für die Sicherheit der Zivilisten zu sorgen, nicht sie zu töten", erklärte die Gruppe. Dass das al-Qaida nahestehende Bündnis Hayyat Tahrir al-Sham hinter dem Angriff steckt, erscheint unwahrscheinlich, die Gruppe verlor durch den Anschlag einige Kämpfer. Aktivisten der Opposition beschuldigten das Regime, hinter dem Angriff zu stecken.

Das Attentat rief weltweit Entsetzen hervor, Papst Franziskus verurteilte die Tat in seiner Osterbotschaft. Das Auswärtige Amt bezeichnete den Anschlag als "tief erschütternd".

© SZ vom 18.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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