Südafrika:Die Wut-Studenten

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Das Land erlebt die größte Protestwelle seit dem Ende des Apartheid-Regimes, auch wenn die Polizei massiv gegen die Demonstranten vorgeht.

Von Tobias Zick, Kapstadt

Am Mittwochnachmittag hatten sie ihn wieder am Boden. Chumani Maxwele, altbekannter Studenten-Protestführer in Kapstadt, hatte gerade mit Hunderten anderen das Gelände des südafrikanischen Parlaments gestürmt, die Polizei antwortete mit Salven von Blendgranaten und Tränengas, und hinter Maxweles Rücken klickten, während er am Boden saß, die Handschellen.

Nun muss er sich zusammen mit 28 Mitstreitern vor Gericht wegen "öffentlicher Gewalt" verantworten. Doch einschüchtern lassen sich Südafrikas wütende Studenten davon nicht: Am Donnerstag marschierten sie weiter in mehreren Städten des Landes, besetzten Uni-Gebäude und legten den Lehrbetrieb lahm.

Zündfunke für ihre Proteste, die inzwischen die größten seit Ende der Apartheid vor gut zwei Jahrzehnten sind, war die Ankündigung mehrerer Hochschulen, die Studiengebühren um bis zu zwölf Prozent zu erhöhen. Der eher hilflos wirkende Kompromissvorschlag von Bildungsminister Blade Nzimande, man könne die Erhöhung ja auf sechs Prozent begrenzen, hat ihren Zorn eher noch weiter angefacht. Ihnen geht es um Grundsätzlicheres. Sie fordern "freie Bildung", und dadurch einen Schritt hin zu echter Chancengleichheit in einem Land, das 1994 zwar das rassistische Apartheid-Regime abgeschüttelt hat, aber bis heute von einer so großen Kluft zwischen Arm und Reich geprägt ist wie kein anderes auf der Welt.

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(Foto: Rodger Bosch/AFP)

Hier war der Protest noch friedlich: Studenten in Kapstadt am vergangenen Dienstag.

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(Foto: Mujahid Safodien/AFP)

Studenten in mehreren Städten Südafrikas protestieren seit mehreren Tagen gegen geplante Gebührenerhöhungen, hier an der der Tshwane Universität, Pretoria.

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(Foto: Shiraaz Mohamed/dpa)

Die Gebühren hielten vor allem arme Menschen vor dem Studium ab, kritisiert auch dieser Student in Pretoria.

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(Foto: Marco Longari/AFP)

Hier, auf dem Campus Universität von Witwatersrand in Johannesburg, hatten die Proteste begonnen - sie eskalierten rasch.

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(Foto: Nic Bothma/dpa)

Dieser mit einem Stock bewaffnete Student gehört zu denen, die das Gebäude der Uni in Kapstadt blockierten.

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(Foto: Nic Bothma/dpa)

Am Mittwoch versuchten mehrere Hundert Studenten das Parlament in Kapstadt zu stürmen.

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(Foto: Nic Bothma/dpa)

Polizisten am Parlament mussten kurzfristig fliehen, nachdem Studenten den Zaun durchdrungen hatten.

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(Foto: Nic Bothma/dpa)

Bei den Auseinandersetzungen mit der Polizei wurden mehrere Studenten verletzt, mindestens fünf festgenommen.

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(Foto: Kim Ludbrook/dpa)

Es handle sich um "keine Krise", sagte der zuständige Minister Blade Nzimande über die Proteste.

Die Blendgranaten, die auch am Donnerstag wieder in der Innenstadt von Kapstadt explodierten, weckten bei vielen Aktivisten und Beobachtern Erinnerungen an das brutale Vorgehen der Apartheid-Polizei in den schlimmen alten Zeiten. Solche Vergleiche sind vielleicht übertrieben, zeigen aber: Die Ereignisse dieser Tage zeitigen einen Bruch zwischen dem regierenden African National Congress (ANC) und der jungen Generation, die in Freiheit aufgewachsen ist und sich von ihren Eliten um das betrogen fühlt, was der Gründervater des modernen Südafrika, Nelson Mandela, versprochen hatte.

Kaum jemand verkörpert diese Wut so wie der Politikstudent Chumani Maxwele, aufgewachsen in Khayelitsha bei Kapstadt, einer der größten Townships des Landes. Schon im März dieses Jahres hatte er eine Protestwelle losgetreten, indem er eine Statue des britischen Kolonialisten Cecil Rhodes auf dem Campus der Universität Kapstadt mit Kot beschmierte. Die Statue ist ein verhasstes Symbol der rassistischen Vergangenheit. Daraufhin rückten Massen von Studenten gegen dieses und andere Standbilder vor, bis der Universitätsrat in Kapstadt ihrer Forderung nachgab und die Statue vom Sockel holte.

Es war ein erster Erfolg für den Aktivisten Chumani Maxwele, doch kein Grund, sich darauf auszuruhen. Die Proteste dieser Tage gegen die heutigen Regierenden sind noch von wesentlich größerer Entschlossenheit als die Kampagne gegen die Symbole der alten weißen Rassismus-Herrschaft. Und auch wenn Maxweles Methoden manchen empfindsamen Gemütern aufstoßen, kann er sich auf einen Gedanken des Friedensnobelpreisträgers Mandela berufen, der seinerzeit sagte: "Wenn der ANC nicht liefert, dann müssen die Menschen mit ihm das Gleiche tun, was sie zuvor mit dem Apartheid-Regime getan haben."

© SZ vom 23.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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