Stuttgart 21:Landtag untersucht Polizeigewalt

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"Die Bevölkerung hat einen Anspruch auf eine anständige Aufklärung": Ein Ausschuss soll nun klären, warum der Einsatz gegen Stuttgart21-Demonstranten eskalierte.

Martin Kotynek

Der Landtag von Baden-Württemberg wird den Polizeieinsatz gegen Gegner von Stuttgart 21 untersuchen. Am Donnerstag vor vier Wochen waren Polizisten mit Wasserwerfern und Pfeffersprays gegen Demonstranten im Stuttgarter Schlosspark vorgegangen, Hunderte Menschen, unter ihnen Schüler und Rentner, waren dabei verletzt worden. "Die Bevölkerung hat einen Anspruch auf eine anständige Aufklärung", sagte SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel, der den Untersuchungsausschuss beantragt hatte.

Mit Wasserwerfern gegen Demonstranten: Nun soll ein Untersuchungsausschuss klären, warum der Polizeieinsatz in Stuttgart Ende September eskalierte. (Foto: dapd)

Der Ausschuss soll klären, welches Konzept dem Polizeieinsatz zugrunde lag, welche Mitglieder der Landesregierung darüber informiert waren, dass Wasserwerfer und Pfeffersprays genutzt werden sollten, und warum der Einsatz nicht abgebrochen wurde. Die Polizei sollte das Baufeld am Südflügel des Bahnhofs sichern, damit dort 25 Bäume gefällt werden konnten.

Ursprünglich sollte der Einsatz um 15 Uhr beginnen, er wurde jedoch kurzfristig auf zehn Uhr vorverlegt, da sich der Polizeieinsatz unter den Gegnern von Stuttgart21 herumgesprochen hatte. Er fand damit jedoch zeitgleich mit einer Schülerdemonstration statt - viele Schüler wurden später verletzt. Sie hätten "eine schlimme Lektion in Staatsbürgerkunde" erhalten, kritisierte der Grünen-Abgeordnete Hans-Ulrich Sckerl am Mittwoch im Landtag.

Die Grünen hatten den Ausschuss vehement gefordert. Sie waren dabei auf die Stimmen der SPD angewiesen, die im Landtag ebenfalls in der Opposition ist. Die SPD tritt grundsätzlich für das Bahnprojekt ein und bewegte sich erst, als ihr die eigene Parteibasis auf dem Landesparteitag vor zwei Wochen keine andere Wahl ließ. "Kein einziges Ereignis hat dem Projekt so geschadet wie der Polizeieinsatz am 30. September", sagte Schmiedel. Deshalb hätten gerade jene, die für das Projekt eintreten, Interesse daran, "dass aufgeklärt wird, warum dieser Einsatz so aus dem Ruder lief", sagte Schmiedel. Die Grünen kritisierten jedoch, dass die Frage nach der politischen Verantwortung von dem Ausschuss nur indirekt behandelt würde. Der Landtag beschloss den Ausschuss mit den Stimmen von Grünen und SPD; CDU und FDP enthielten sich mehrheitlich.

Nun soll es schnell gehen: Schon an diesem Donnerstag wollen die zehn Mitglieder des Ausschusses erstmals zusammentreten, danach wird sich das Gremium zweimal wöchentlich treffen, bis Weihnachten soll das Ergebnis feststehen. So hat es die CDU vorgegeben, die den Vorsitz übernimmt und die bei den Landtagswahlen im März ihre Mehrheit verteidigen will. Umstritten ist, von welcher Seite die Gewalt im Schlosspark ausgegangen ist. Die Polizei präsentierte Videosequenzen, die Demonstranten dabei zeigen, wie sie Kastanien gegen die Polizeiabsperrung werfen. Die Parkschützer halten mit Aufnahmen dagegen, auf denen Polizisten zu sehen sind, die mit Schlagstöcken gegen Demonstranten vorgehen. Die zeitliche Abfolge ist unklar.

Auch die Staatsanwaltschaft Stuttgart beschäftigt sich derzeit mit dem Polizeieinsatz. Bei der Ermittlungsbehörde sind 92 Anzeigen eingegangen, darunter 33 von Geschädigten und Augenzeugen; bei der Polizei wurde 208 Mal Anzeige erstattet. Die Staatsanwaltschaft prüft nun, ob gegen einzelne Personen Anklage erhoben werden soll.

© SZ vom 28.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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