Stuttgart 21: Geißler spricht mit Gegnern:Immerhin, ein Anfang

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Vermittler Heiner Geißler geht optimistisch aus dem Gespräch mit den Stuttgart-21-Gegnern. Das Schlüsselwort Baustopp wurde dabei allerdings so gut es ging umschifft.

Dagmar Deckstein und Martin Kotynek, Stuttgart

Hinterher wollte Heiner Geißler ein Bier. Irgendwie wirkte er erleichtert. Zwei Stunden lang hatte er mit den Gegnern von Stuttgart 21 geredet. Gleich 17 von ihnen waren ins Rathaus gekommen, fast jede Gegnergruppe schickte zwei Vertreter. Um ihn herum saßen unter anderem die Grünen, die Linken, die Umweltschützer, die Parkschützer und auch die Bahnkritiker schickten ihre Leute zu Geißler. Keine Anzugträger, sondern Leute in Jeans, offenem Hemd und mit Anti-Stuttgart-21-Button auf der Brust; Leute also, die sich Sorgen machen um die Kosten des Projekts, um die Bäume im Schlosspark und um die Wasserquellen unter ihrer Stadt.

Der CDU-Politiker und Stuttgart 21-Vermittler Heiner Geißler (li.) bei der Pressekonferenz nach dem Treffen  mit Hannes Rockenbauch, Mitglied des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21. (Foto: dpa)

Und Heiner Geißler merkte, dass er keine Angstmacher und Randalierer um sich hatte, sondern "sachkundige Menschen, die sich tief in die Thematik eingearbeitet haben", wie der Schlichter nach dem ersten Treffen mit den Gegnern sagt. "Wir wollen schließlich in Augenhöhe mit der Bahn reden", betonte eine Vertreterin zwischendurch - das hat Geißler beeindruckt. Nach zweieinhalb Stunden im Fraktionszimmer der Rathaus-Grünen weiß er: Seine Mission ist nicht so unmöglich, wie sie tagsüber noch zu sein schien. Immerhin, ein Anfang.

Als am Ende dieses Vorgesprächs dann Geißler und der Gegnersprecher Hannes Rockenbauch vor die Mikrofone treten, demonstrieren sie so etwas wie Eintracht. Wenn Rockenbauch von der "konstruktiven Atmosphäre" der vergangenen zweieinhalb Stunden spricht und sogar davon, "dass mir das Gespräch Spaß gemacht hat", dürfte das ein gutes Zeichen für den baldigen Beginn der eigentlichen Schlichtungsrunden bedeuten. Den strittigen Begriff des "Baustopps" umschifften Geißler und die Bahnhofsgegner so gut es ging; es dürften keine neuen Fakten geschaffen werden, keine Fortsetzung des Grundwassermanagements im Schlossgarten, kein Abriss des Südflügels. Damit ließ es Rockenbauch erst mal bewenden.

Geißler wollte den "psychopathologisch aufgeblasenen Begriff" gleich durch das Wort "Bauunterbrechung ersetzen. Aber nach wie vor ist genau dieser Begriff der Dreh- und Angelpunkt, an dem die Schlichtungsbemühungen doch noch scheitern könnten. So hatte Bahn-Chef Rüdiger Grube am Abend zuvor auf einer Veranstaltung der Industrie- und Handelskammer Stuttgart noch einmal vehement betont, ein Bau- und Vergabestopp komme für ihn gar nicht infrage, Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) hatte am Dienstag ebenfalls noch einmal ins gleiche Horn geblasen.

Aber Geißler kehrte allen Optimismus heraus, zu dem er nach einem anstrengenden Tag immer noch fähig war: "Ich habe den Eindruck, dass es eigentlich an den noch vorhandenen Differenzen nicht scheitern dürfte und könnte", meinte er. Die Bedingungen von Bahn und Aktionsbündnis seien zwar noch nicht "total kompatibel", aber er werde in weiteren Gesprächen mit der Bauherrin und der Landesregierung versuchen, die noch bestehenden Knackpunkte auszuräumen. "Ich glaube nicht, dass diese kleinen Differenzen dazu führen, dass die Schlichtung platzen wird." Gleichwohl sei der Prozess "noch nicht in trockenen Tüchern", warnte Geißler, da sei noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten.

"Das Ende der Basta-Politik"

Als sich das Rathaus geleert hat, trinkt Geißler einen Schluck. Er ist froh, dass durch die Konfrontation in der Stadt die Schlichtung erstmal abgemildert wurde. Nun will er nacheinander alle strittigen Punkte abarbeiten, sechs Wochen lang alle Themen durchgehen, bei denen es Streit gibt, "und am besten natürlich öffentlich, damit volle Transparenz gewährleistet ist", wie er der SZ dann weiter sagt.Er will einen "Faktenabgleich" mit den Projektplanern erreichen, bei dem es keine Tabus geben dürfe. Thema der Gespräche, deren Beginn in großer Runde Geißler aber schon von Donnerstag auf Freitag verlegte, sollen von der Kosten-Nutzen-Analyse der geplanten Neubaustrecke Wendlingen-Ulm über die Taktanbindungen der künftigen Züge bis hin zur ökologischen Zukunftsfähigkeit der neu zu gestaltenden Flächen in der Innenstadt sein.

Dabei geht es Geißler nicht darum, am Schluss eine Entscheidung zu haben, ob der neue Bahnhof gebaut wird oder nicht. Geißler sieht seine Aufgabe vielmehr darin, dass "am Ende Landesregierung, Bahn und die Gegner bei allen Punkten zu einer gemeinsamen Bewertung finden", sagt er. "Fakten, die sich nicht klären lassen, bleiben eben offen." Darüber soll sich dann jeder selbst sein Urteil bilden.

Jedenfalls werde die Welt hinterher anders aussehen, sagt Geißler dann noch. "Es wird kein Großprojekt mehr ohne starke Bürgerbeteiligung geben", ist er sich sicher. "Das hier ist das Ende der Basta-Politik."

© SZ vom 13.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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