Streit um Treffen mit dem Religionsführer:Dalai Lama trägt Unfrieden in die SPD

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In der SPD ist Streit über das Treffen von Entwicklungshilfeministerin Wieczorek-Zeul mit dem Dalai Lama ausgebrochen. Außenamtschef Steinmeier sieht seine stille Diplomatie mit Peking in Gefahr - seine Kabinettskollegin weist die Kritik entschieden zurück.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier ist verärgert über seine Kabinettskollegin Heidemarie Wieczorek-Zeul (beide SPD). Ihre Zusage für ein Treffen mit dem Dalai Lama am Montag störe die stillen Bemühungen des Ministers um einen Dialog zwischen der Führung Chinas und den Tibetern, hieß es am Freitag in der Umgebung Steinmeiers. Unmut gibt es in der SPD auch über Kanzlerin Angela Merkel, die Wieczorek-Zeul zu dem Treffen ermuntert hat.

Ein Sprecher Steinmeiers bekräftigte am Freitag, dass der Minister vor der Bekanntgabe des Treffens von Entwicklungshilfeministerin Wieczorek-Zeul mit dem Dalai Lama am vorigen Mittwoch nicht über das Vorhaben seiner Parteifreundin informiert gewesen sei. Ein Gespräch zwischen den Staatssekretären beider Ressorts habe erst nach Ankündigung des Termins stattgefunden.

Wieczorek-Zeul wies die Kritik zurück. "Ich verstehe die ganze Aufregung um das Treffen mit dem Dalai Lama nicht. Ich spreche regelmäßig mit Religionsführern. Warum nicht mit dem Dalai Lama?", sagte die SPD-Politikerin Spiegel Online. Es sei die Aufgabe des Entwicklungsministeriums, "den Dialog zwischen den Kulturen zu fördern und weltweit die Zivilgesellschaft zu stärken".

"Ich entscheide selbst, mit wem ich zusammen treffe. Dazu brauche ich keine Genehmigung einzuholen, weder von der Kanzlerin noch von irgendjemandem in der SPD", sagte Wieczorek-Zeul.Sie betonte jedoch, dass sie den Dalai Lama auch als Vertreterin der Bundesregierung treffen werde.

Der Sprecher des Entwicklungshilfeministeriums hatte zuvor betont, der Termin sei "mit der Bundesregierung" abgestimmt gewesen. Vize-Regierungssprecher Thomas Steg sagte, das Kanzleramt habe von dem Vorhaben Wieczorek-Zeuls "etwas vernommen". Man habe von sich aus das Auswärtige Amt nicht informiert, weil man davon ausgegangen sei, dass das Entwicklungsressort auch andere Ministerien unterrichtet habe.

Kritik an Steinmeier

Steinmeier ist ein erklärter Gegner offizieller Begegnungen mit dem geistlichen Oberhaupt der Tibeter, weil er darin seine Strategie gefährdet sieht, die Lage in Tibet zu verbessern und die Beziehungen zu China nicht zu belasten. "Beides eignet sich nicht für innenpolitische Winkelzüge", hieß es am Freitag in der Umgebung Steinmeiers. Bis hinein in die Spitze der SPD wurde das nun geplante Treffen der Entwicklungshilfeministerin mit dem Tibeter als Affront gegen den Außenminister gewertet.

Zahlreiche Unionspolitiker kritisierten Steinmeier dennoch auch am Freitag wieder für seine Weigerung, den Dalai Lama zu treffen. Wieczorek-Zeul vertritt die Auffassung, es könne nicht sozialdemokratische Position sein, mit dem Dalai Lama nicht zu reden. Ihr Sprecher versicherte, die Zusage zu dem Gespräch am Montag im Berliner Hotel Adlon sei ihre eigene Entscheidung gewesen.

Merkel trat am Freitag dem Eindruck entgegen, sie habe das Treffen vermittelt, um Zwist in die SPD zu tragen. Über ihren Sprecher Steg ließ sie in Berlin ausrichten: "Die Bundeskanzlerin hat nichts arrangiert, hat nichts organisiert und hat niemanden verpflichtet, den Dalai Lama zu treffen."

Unwidersprochen blieben jedoch Berichte aus Regierungskreisen, wonach Merkel von der Bereitschaft Wieczorek-Zeuls zu einer Begegnung mit dem Tibeter wusste und ihr ohne Wissen der übrigen Kabinettsmitglieder ihr Einverständnis dazu signalisierte. Merkel hatte diesen Informationen zufolge ein Treffen des Dalai Lama mit einem Regierungsmitglied befürwortet und Wieczorek-Zeul den Vorzug vor Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) gegeben, der gleichfalls Interesse gezeigt hatte.

Die Frage der Menschenrechte in China und des Umgangs mit dem Dalai Lama hatte bereits voriges Jahr für Streit in der Koalition gesorgt, als Merkel den Dalai Lama im Kanzleramt empfangen hatte.

Gegen das Treffen mit deutschen Politikern protestierte die chinesische Botschaft in Berlin offiziell. Der Dalai Lama bot in Bochum am Freitag Peking seine Dialogbereitschaft an. Etwa 300 Mönche einer tibetischen Sekte demonstrierten gegen den Dalai Lama, dem sie vorwerfen, sie zu diskriminieren. Am Montag wird der Religionsführer eine Rede vor dem Brandenburger Tor halten. Die Veranstalter rechnen mit 15000 Zuhörern. Mehrere Gegendemonstrationen sind angemeldet.

© SZ vom 17.05.2008/AP/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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