Sri Lanka:Mit Kichererbsen begann die Gewalt

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Wo der Mob wütete: Polizisten sichern die Stadt Kandy ab. (Foto: AFP)

Ein böses Gerücht hat den Hass radikaler Buddhisten gegen die muslimische Minderheit freigesetzt. Letzte Woche hat die Regierung den Notstand ausgerufen. Das Militär soll eine weitere Eskalation verhindern.

Von Arne Perras, Singapur

Ein verdächtig aussehendes Klümpchen im Essen - mehr war es nicht. Doch das reichte, um Gewalt auf Sri Lanka zu entfachen. Der Hass entlädt sich gegen die muslimische Minderheit im mehrheitlich buddhistischen Land. Der Staat hat vergangene Woche den Notstand ausgerufen, Tausende Soldaten sind aufmarschiert, um eine Eskalation zu verhindern.

Das Gerücht, mit dem alles begonnen hatte, ist längst als Unsinn entlarvt. Behauptungen waren aufgetaucht, wonach muslimische Restaurantbesitzer angeblich Pillen ins Essen der buddhistischen Singhalesen mischten, um sie unfruchtbar zu machen. So könnten die Gäste bald keine Kinder mehr bekommen, während die Zahl der Muslime immer weiter steige, bis sie vielleicht irgendwann die Scharia einführen würden, hieß es in Hassbotschaften in sozialen Medien. Polizisten stellten sogar einen Klumpen im Essen sicher, der alles beweisen sollte. Die chemische Analyse ergab jedoch, dass das Mehl völlig harmlos war. Es war ein Klecks Kichererbsen.

Doch das Gerücht aus Ampara, 200 Kilometer östlich der Hauptstadt Colombo gelegen, hatte längst erreicht, was buddhistische Scharfmacher und deren mutmaßliche Hintermänner in nationalistischen Kreisen erreichen wollten: Hass zu schüren gegen die religiöse Minderheit.

Der Mob hatte erstmals im Januar gewütet, dann erneut in der vorigen Woche. Auslöser war eine Prügelei, bei der ein buddhistischer Trucker getötet wurde. Seither waren singhalesische Schlägertrupps kaum zu bremsen, sie zerstörten Hunderte Läden muslimischer Händler, attackierten Moscheen. Drei Menschen starben.

Die Unruhen konzentrierten sich auf das Bergland um Kandy, das bei Urlaubern beliebt ist. Das Auswärtige Amt rät Reisenden, "größere Menschenansammlungen und Demonstrationen zu meiden und Anordnungen von Sicherheitskräften unbedingt Folge zu leisten". Der Deutsche Reiseverband erklärte, Einschränkungen für Touristen gebe es nicht. Allerdings sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eine geplante Reise nach Sri Lanka Ende März ab, wie eine Sprecherin unter Hinweis auf den Ausnahmezustand erklärte.

Die Unruhen rufen Erinnerungen wach an Pogrome früherer Jahrzehnte, die sich gegen die tamilische Minderheit richteten. Sie schürten den ethnischen Konflikt zwischen der Mehrheit der Singhalesen und der Minderheit der Tamilen, der in einen der längsten Bürgerkriege Asiens mündete. Er kostete Zehntausende Menschen das Leben, die Wunden heilen kaum, weil es keinen Prozess der Versöhnung gibt.

Nun flammt erneut Gewalt auf, angeheizt von religiösen Hardlinern. Alan Keenan von der International Crisis Group verweist auf militante buddhistische Gruppen, die schon seit 2012 aktiv seien, damals unterstützt vom nationalistischen Ex-Präsidenten Mahinda Rajapaksa. Manche Beobachter fühlen sich an Myanmar erinnert. Auch dort gibt es immer wieder Übergriffe auf Muslime. Und zuletzt hat die Armee, gestützt von buddhistischen Scharfmachern, Hunderttausende Angehörige der Minderheit aus dem Land gejagt.

In beiden Staaten kleiden radikale Mönche anti-muslimische Kampagnen in defensiv klingende Rhetorik. Sie zeichnen ein Bild, wonach der Buddhismus ein Bollwerk gegen den Islam errichte, um zu überleben. Auf Sri Lanka warnen Mönche vor der "islamischen Verschwörung", wozu Falschmeldungen über Sterilisierungspillen im Essen bestens passen. Es ist bekannt, dass Mönche aus Myanmar und Sri Lanka einen engen Austausch pflegen.

Ein Regierungssprecher in Colombo warnte vor organisierter Gewalt, die politisch motiviert sei. "Eine bestimmte Gruppe" stecke hinter den Ausschreitungen, behauptete er, ohne Namen zu nennen. Viele sahen in dem Vorwurf einen Hinweis auf Anhänger des Ex-Präsidenten. Rajapaksa besiegte einst die tamilischen Separatisten, wurde jedoch nach Korruptionsvorwürfen abgewählt. Nun arbeitet er an seiner Rückkehr, um Präsident Maithripala Sirisena das Amt wieder zu entreißen.

Ob Rajapaksa mitgezündelt hat in Kandy? Seine Gegner unterstellen das, doch sind Vorwürfe schwer zu beweisen. Nur eines gilt als sicher: Das nationalistische Lager profitiert, wenn die muslimische Minderheit als neues Feindbild herhalten muss.

© SZ vom 13.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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