SPD:War nicht so gemeint

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Der SPD-Chef muss sich nach seiner Unionskritik vom Wochenende rechtfertigen - und rudert zurück. Den Aufruf zu einem Mitte-links-Bündnis habe er nicht im Sinne möglicher Koalitionen gemeint, sondern als Kampf gegen rechts.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Nach seinem Aufruf zu mehr Einigkeit der Mitte-links-Parteien gegen rechts und Kritik aus der Union versuchte SPD-Chef Sigmar Gabriel am Montag, die Wogen zu glätten. Er fühle sich missverstanden, sagte er nach einer Sitzung des Parteivorstands in Berlin. Sein Anliegen sei nicht, ein Regierungsbündnis mit Grünen und Linken vorzubereiten. Auch habe er die Union nicht als "antidemokratisch" hinstellen wollen. "Aber was ich mir wünsche, ist mal eine klare Positionierung gegenüber dieser Partei", so Gabriel - gemeint war die AfD. Sie greife die Grundlagen der Demokratie an. "Wer das auf Koalitionsfragen reduziert, nimmt die Sache nicht ernst genug."

Gabriel hatte im Spiegel ein "Bündnis aller progressiven Kräfte" gegen das Erstarken nationalistischer Kräfte gefordert. Dies verband er mit Distanzierung von der Union. Ihr Verdienst sei es nach dem Krieg gewesen, alten Nazis in der jungen Bundesrepublik eine neue Heimat gegeben zu haben. Auch Figuren wie der "Reaktionär Dregger und seine Stahlhelmfraktion" seien "eingehegt und domestiziert worden". Durch Angela Merkels "politische Entkernung der CDU" aber habe die Union ihre "Bindekraft für dieses Milieu verloren". Angesichts wachsender rechter Bewegungen falle Mitte-links-Parteien die Aufgabe zu, die Demokratie zu verteidigen und "ihren notorischen Missmut, ihre Eitelkeiten und Spaltungen zu überwinden".

Eigentlich sollte es am Montag vor allem um das Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit gehen

Gabriels Vorstoß wurde als Signal der Öffnung zu rot-rot-grünen Bündnissen verstanden, bei der Wahl des Bundespräsidenten oder der Bundestagswahl. Der Koalitionspartner reagierte verärgert. "Dummdreist" nannte CDU-Generalsekretär Peter Tauber Gabriels Aussage, die Union habe nach 1945 alten Nazis eine Heimat gegeben. Auf den Vorwurf, Merkel habe die CDU politisch entkernt, reagierte CSU-Chef Horst Seehofer mit dem Kommentar: "Die größte Entkernung hat ja bei der SPD stattgefunden, das ist ja unbestritten." Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) bezeichnete Gabriels Wunsch nach einem Mitte-links-Bündnis als "verzweifelten Versuch, irgendwie auf die Beine zu kommen". Auch in der Sitzung des SPD-Parteivorstands am Montag fielen offenbar nachdenkliche Worte zu Gabriels Vorstoß. Hessens SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel habe davor gewarnt, das Thema zu einer Koalitionsfrage zu reduzieren, berichtete Gabriel nach der Sitzung. Genau so will der Parteivorsitzende selbst seinen Beitrag im Spiegel nun verstanden wissen: als Aufruf gegen rechts, sonst nichts.

Sichtlich bemüht, nicht noch mehr Öl ins Feuer zu gießen, war Gabriel auch beim Thema Lohngerechtigkeit, das bei seinem Auftritt mit Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) am Montag eigentlich im Mittelpunkt stehen sollte. Schwesigs Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern steht auf der Kippe. Der Entwurf sieht vor, dass alle Arbeitnehmer ein Auskunftsrecht über die Bezahlpraxis ihres Betriebs erhalten und Firmen mit mehr als 500 Mitarbeitern ihre Entgeltpraxis prüfen und darüber berichten müssen. Die Union lehnt dies ab. Im Koalitionsvertrag sei nur eine freiwillige Prüfung vereinbart und ein Auskunftsrecht in Betrieben mit mindestens 500 Mitarbeitern.

Die Union spielt nun auf Zeit, der SPD läuft sie davon - nach der Sommerpause wäre das Projekt kaum noch durchsetzbar. Am Montag aber verzichtetet Gabriel darauf, den Druck auf den Koalitionspartner zu erhöhen. Die Idee der Union, den Auskunftsanspruch über Gehälter nur Betrieben mit mehr als 500 Mitarbeitern zu gewähren, sei "kein Kompromiss", so Gabriel, da das Gesetz dann nur für einen Bruchteil der Arbeitnehmerinnen gelten würde. "Selbst der größte Chauvinist muss sich, wenn er etwas von Wirtschaft versteht, für Betreuungsplätze und bessere Bezahlung von Frauen einsetzen." Die SPD werde die Auseinandersetzung "vor der Sommerpause und notfalls auch darüber hinaus" fortsetzen. Das klang nach Unterstützung für Schwesig, aber nicht so, als wolle er mehr Koalitionskrach riskieren. Auf die Frage, mit welchen Sanktionen die SPD drohen könne, falls die Union das Gesetz blockiere, antwortete er ausweichend: "Sanktionen gibt es derzeit nur gegen Russland."

© SZ vom 21.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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