SPD:Wahlkampf leider unmöglich

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Die Sozialdemokraten wären nicht auf Neuwahlen vorbereitet, sollte die Koalition in Berlin wagen der Querelen scheitern.

Von Mike Szymanski

Die Unionsparteien haben ein Problem, nicht die Sozialdemokraten, sagt SPD-Chefin Andrea Nahles. (Foto: Sina Schuldt/dpa)

Ist die SPD vorbereitet auf das, was womöglich jetzt vor ihr liegt? Arbeitsminister Hubertus Heil blickt sich am Freitagmorgen vor dem Fraktionssaal der SPD nervös um. Er muss jetzt erst mal eine rauchen. "Regierungskrise ohne Zigaretten geht nicht", sagt er. Kann irgendwer damit aushelfen? "Jede Menge!", ruft einer. Was das angeht, muss sich Heil also keine Sorgen machen. Vieles andere aber bereitet den Sozialdemokraten ein ungutes Gefühl. So wie vor dem 14. Juni, jenem Tag, an dem Horst Seehofer und seine CSU Kanzlerin Merkel herausgefordert haben, wird es in der großen Koalition nicht mehr werden.

Nur für den Moment erscheint die Lage für die SPD kontrollierbar. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, der sich mächtig für das Gelingen der großen Koalition ins Zeug gelegt hatte, sagt der Süddeutschen Zeitung: "Es geht nicht um die SPD. Die Union muss ihrer staatspolitischen Verantwortung gerecht werden." Nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen war jene staatspolitische Verantwortung ein Argument für die SPD, abermals in die ungeliebte große Koalition einzutreten. Nun also soll sich die Union zusammenreißen.

Aber angenommen, CDU und CSU würden sich im Asylstreit zusammenraufen und am Ende einen Kompromiss vorlegen, der auch nur graduell über das hinausgeht, was im Koalitionsvertrag vereinbart ist - dann kann sich die SPD schneller als sie will in der Rolle wiederfinden, über die Zukunft des Landes entscheiden zu müssen. Trägt sie dann einen Kompromiss mit oder nicht? Als Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles in der Sondersitzung der Fraktion am Donnerstag sinngemäß sagte, die, also die Unionsparteien, hätten ein Problem und nicht die SPD, führte das erst einmal zu viel Beifall. Ein Teilnehmer gab die Stimmung wie folgt wieder: "Jetzt Nerven bewahren und hoffen, dass sich CDU und CSU wieder zusammenraufen." So wäre es der SPD wohl am liebsten. Parteivize Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin in Mecklenburg-Vorpommern, sagte der SZ: "Es hat viel Kraft gekostet, diese Regierung zu schmieden." Sie dürfte jetzt nicht "durch Machtkämpfe Einzelner" gefährdet werden. "Das hat mit verantwortungsvoller Politik nichts zu tun."

Als Nahles am Freitag aus der Fraktionssitzung kommt, wirkt sie angespannt und konzentriert. In der Sitzung soll sie den Abgeordneten gesagt haben, die SPD sei auf alle Eventualitäten vorbereitet. Das passt jedenfalls zu ihrem Auftritt draußen vor der Tür. Da wird sie gefragt, was die SPD jetzt überhaupt für Optionen habe. "Na, das warten wir mal ab", zischt Nahles.

So turbulente Tage - wann gab es das zuletzt? Nahles fühlt sich an 2005 erinnert, als der damalige SPD-Kanzler Gerhard Schröder Neuwahlen erzwang. Aber an Neuwahlen kann die SPD gegenwärtig kaum Interesse haben. Ein von der SPD in Auftrag gegebener und in dieser Woche vorgestellter Bericht, kam zu dem Ergebnis, dass die Partei derzeit organisatorisch nicht in der Lage ist, erfolgreich Wahlkampf zu führen. Programmatisch ist sie nicht vorbereitet, weil die SPD immer noch zu viele nicht ausgetragene Konflikte mit sich herumschleppt und deshalb nicht zu klaren Positionen findet - das gilt gerade für die Flüchtlingspolitik.

Tatsächlich befindet sich die SPD in einem Existenzkampf. Nahles ist nicht einmal 100 Tage im Amt, und die Erneuerung der Partei braucht Zeit. Nahles will eigentlich in den nächsten Monaten ihre Projekte durchsetzen und so durch gute Politik punkten. Aber schon in dieser Woche, als das Kabinett das Rückkehrrecht in Vollzeit oder die Abschaffung des Schulgeldes für Pflegeberufe auf den Weg brachte, dominiert dann doch wieder nur ein Thema: die Flüchtlingspolitik.

Wie soll die SPD mit ihren Themen erst durchdringen, wenn die Koalition an der Flüchtlingspolitik scheitert und sie dann auch mögliche Neuwahlen beherrscht? Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Achim Post bringt die Misere am Freitag auf den Punkt: "Wenn es Profiteure gäbe, dann die AfD."

© SZ vom 16.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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